Britische Staatsanleihen (Gilts) stehen vor einer ernüchternden Erkenntnis: Die Bank of England (BoE) kann sich keinen taubenhaften Kurs leisten.
In der vergangenen Woche passte das Office for Budget Responsibility (OBR) die BIP-Prognosen für das laufende Jahr an. Sie hob es von -0,2% im März auf 0,6% an. Dennoch schüren Erwartungen für ein stagnierendes Wachstum im Jahr 2024 Wetten, dass die BoE zur Rettung der Wirtschaft eingreifen muss.
Diese Wetten könnten jedoch verfrüht sein. Seit Anfang Juli sind die Renditen zweijähriger britischer Staatsanleihen um 65 Basispunkte (bps) gefallen. Das ist mehr als bei deutschen und US-amerikanischen Pendants. Zweijährige Renditen reagieren empfindlicher auf geldpolitische Änderungen als andere Laufzeiten. Dennoch liegt die Kerninflation in Großbritannien weiterhin über 5%. Die Dienstleistungsinflation liegt über 6%, und die Löhne steigen weiterhin um fast 8% im Jahresvergleich. Gleichzeitig liegen die aktuellen Inflationsraten in den USA und Europa über einen Prozentpunkt unter denen in Großbritannien. Das zeigt, dass die Arbeit der BoE noch lange nicht beendet ist.
Zur Bestätigung dieser Einschätzung erklärte der britische Finanzminister Jeremy Hunt in der vergangenen Woche während der Herbstkonferenz (Autumn Statement), dass die Inflation bis Ende nächsten Jahres voraussichtlich 2,8% betragen wird. Dies deutet darauf hin, dass die Rückkehr zum Inflationsziel von 2% länger dauern könnte als erwartet.
Wir dürfen nicht vergessen: Trotz eines entspannten Anleihenmarktes lockert die Regierung mit dem neu aufgelegten Konjunkturpaket von 21 Milliarden Pfund weiterhin die Wirtschaft. Obwohl die britischen Wahlen am 28. Januar 2025 stattfinden, ist klar, dass im gesamten Jahr 2024 die großen Parteien im vollen Wahlkampfmodus sein werden. Weitere fiskalische Anreize sind daher nicht auszuschließen. Dies dürfte den Bemühungen der BoE und letztlich den britischen Staatsanleihen entgegenwirken.

In diesem Umfeld ist es unwahrscheinlich, dass die Renditen weiter fallen. Da die Anleihenmärkte die Erwartungen an Zinssenkungen im nächsten Jahr ablehnen, werden die Renditen wahrscheinlich wieder über die gesamte Zinsstrukturkurve hinweg steigen.
Die Zinsstrukturkurve dürfte invertiert bleiben, da die Märkte über die Auswirkungen von geldpolitischen Maßnahmen, die länger restriktiv bleiben, für die Wirtschaft nachdenken. Langfristige Renditen dürften jedoch wieder ansteigen. Zehnjährige Renditen britischer Staatsanleihen werden wahrscheinlich wieder den Widerstand bei 4,63% testen. Wenn sie dieses Niveau überschreiten, könnten sie weiter auf 4,73% steigen. Gelingt dies jedoch nicht, könnten sie zwischen 3,62% und 3,87% fallen.

Quelle: Bloomberg
Britische Staatsanleihen gelten als sicherer Hafen für Sterling-Investoren. Sie bieten somit nicht nur eine garantierte Rendite für ein Portfolio, sondern auch Schutz bei Marktabschwüngen. Je nach Anlagehorizont und Laufzeit der britischen Staatsanleihen können sich das Risiko-Rendite-Verhältnis jedoch unterscheiden.
Es ist anzumerken, dass kurzfristige britische Staatsanleihen ein minimales Zinsänderungsrisiko (Duration Risk) bei maximaler Rendite aufweisen. Bei einer Haltedauer von einem Jahr müssten die Renditen zweijähriger britischer Staatsanleihen um mehr als 200 Basispunkte steigen, um eine negative Gesamtrendite zu erzielen. Da die BoE wahrscheinlich keine weiteren Zinserhöhungen vornimmt, ist ein solches Szenario unwahrscheinlich. Ultra-langfristige Instrumente wie 30-jährige britische Staatsanleihen stellen jedoch eine Wette auf die Zinsentwicklung dar.
Da sich die Wirtschaft weiter abkühlt und die BoE auf der Bremse steht, bevorzugen wir eine Barbell-Strategie. Wir setzen auf das vordere Ende der Zinsstrukturkurve für Sicherheit und auf das lange Ende als Absicherung für den Fall eines Abschwungs.
Althea Spinozzi ist Senior Fixed Income Stratege bei Saxo Bank



