In einer neuen Research-Serie zum ETF-Markt erfasst der Fondsverband BVI in Zusammenarbeit mit Clearstream detailliert die ETF-Bestände und das Neugeschäft am deutschen Markt. Die erste Studie zeigt das rasche Wachstum und die dominante Stellung von ETFs am deutschen Fondsmarkt.
In den vergangenen zwei Jahren ist der deutsche Markt für börsengehandelte Fonds (ETFs) demnach stark gewachsen. Zwischen Juni 2023 und Juni 2025 stieg das für deutsche Anleger verwaltete Vermögen von 309 auf 500 Mrd. Euro. Das entspricht einer Steigerung von 62 %. Zum Vergleich: Der Vermögenszuwachs bei anderen offenen Publikumsfonds erreichte im selben Zeitraum lediglich 13 %.
Das Wachstum beim investierten Gesamtvermögen wurde laut BVI sowohl von kontinuierlich hohen Netto-Mittelzuflüssen als auch von den starken Kurszuwächsen bei Aktien getrieben. „Unseren Schätzungen auf Basis der Kursentwicklung an den Wertpapiermärkten zufolge setzte sich der Gesamtanstieg etwa zu gleichen Teilen aus dem Netto-Mittelzufluss (rund 110 Mrd. Euro) und der Wertentwicklung (rund 80 Mrd. Euro) zusammen“, so die BVI-Autoren Markus Michl, Leiter Research, und Michael Pirl, Statistik und Research.
Nur 25 Jahre nach der Erstauflage eines ETFs in Europa entfällt damit rund ein Viertel des gesamten von deutschen Anlegern gehaltenen Publikumsfondsvermögens auf börsengehandelte Fonds. Während ursprünglich vor allem institutionelle Investoren wie Versicherer oder Pensionseinrichtungen indexreplizierende ETFs nutzten, da sie effiziente und liquide Werkzeuge zur Umsetzung von Anlagestrategien darstellen, haben sich in den letzten Jahren sowohl die Anlegerstruktur verändert als auch die Produktvielfalt deutlich erhöht.
Zum einen haben Privatanleger erheblich an Gewicht gewonnen: Im Frühjahr 2024 hielten nach Auswertungen von BlackRock 10,5 Mio. Personen in Deutschland ETF-Anteile – und Millionen von ETF-Sparplänen bei Banken und Sparkassen sorgen aufgrund der langfristigen Orientierung vieler Anleger für stetige Mittelzuflüsse. Zum anderen hat sich das Angebot an Produkten stark erweitert. Zwar sind Standardprodukte, die als Kernbaustein der langfristigen Portfolioallokation dienen, weiter sehr beliebt. Daneben gibt es aber eine breite Vielfalt an Strategien: Auf Xetra sind zum Beispiel über 2.500 Produkte aus über 40 Produktfamilien handelbar, davon über 300 aktiv anlegende ETFs.

Aktien-ETFs dominieren den Markt
Die BVI-Studie zeigt auch, dass Aktien-ETFs den Markt klar dominieren. Von den insgesamt 500 Mrd. Euro, welche der BVI deutschen Anlegern zuordnet, entfielen zum 30. Juni 2025 mehr als vier Fünftel auf Aktien-ETFs. Sie profitierten seit Jahren von hohen Netto-Mittelzuflüssen, vor allem aber von der sehr positiven Kursentwicklung an den weltweiten Aktienbörsen.
An zweiter Stelle folgen Anleihen: Aktuell verwalten in Anleihen investierende Produkte 69 Mrd. Euro für ihre Anleger, das entspricht 14 % des ETF-Marktes. Dazu die Autoren: „Infolge der Zinswende und den daraus folgenden Kursverlusten bei Zinspapieren hat sich das verwaltete Vermögen bis Ende 2023 einige Jahre seitwärts bewegt: Die Zuflüsse konnten die Kursverluste in etwa ausgleichen.“ Seitdem steige das verwaltete Vermögen aber wieder deutlich.
Die drittgrößte Anlageklasse sind Geldmarktprodukte. Sie waren im Niedrigzinsumfeld lange unattraktiv; vor zwei Jahren lag das für deutsche Kunden verwaltete Vermögen bei nur 3 Mrd. Euro. Mit der Zinswende haben Geldmarkt-ETFs jedoch eine Renaissance erlebt – die gestiegenen Zinsen sowie die hohe Nachfrage nach liquiden Anlageformen sorgten für ein anhaltend hohes Neugeschäft. Zur Jahresmitte 2025 betrug das Gesamtvolumen bereits 18 Mrd. Euro (Marktanteil: 3 %). Produkte anderer Anlageklassen, darunter Rohstoff-ETFs, spielen im deutschen Markt bisher nur eine untergeordnete Rolle und kommen zusammen auf ein verwaltetes Vermögen von rund 3 Mrd. Euro.
ETFs absorbieren fast 90 % des Neugeschäfts offener Publikumsfonds
Auch beim Netto-Mittelaufkommen hängen börsengehandelte Fonds klassische Publikumsfonds ab: Insgesamt flossen fast 90 % der zwischen Juni 2023 und Juni 2025 neu in Publikumsfonds angelegten Gelder in ETFs. Das Neugeschäft summierte sich damit unter dem Strich auf 113,8 Mrd. Euro. Mit einem Anteil von gut 70 % waren Aktien-ETFs besonders gefragt, doch auch Renten- und Geldmarkt-ETFs verbuchten ein Netto-Mittelaufkommen in zweistelliger Milliardenhöhe. Im gleichen Zeitraum flossen anderen offenen Publikumsfond
s laut BVI-Statistik lediglich 14,8 Mrd. Euro zu; nur Renten- und Geldmarktfonds lagen im Plus. Aus klassischen Aktienfonds, Mischfonds und Immobilienfonds zogen Anleger laut BVI dagegen netto Gelder ab.

Deutschland ist der größte europäische ETF-Markt
Eine weitere Erkenntnis der Autoren: „Unseren Erkenntnissen zufolge ist Deutschland der wichtigste europäische Absatzmarkt für ETFs.“ Deutsche Anleger halten demnach mindestens 500 Mrd. Euro der rund 2,2 Bio. Euro an ETFs, die zur Jahresmitte 2025 laut EZB in der Eurozone aufgelegt waren. Das entspricht einem Marktanteil von 23 %. „Die tatsächliche Rolle Deutschlands als Absatzmarkt könnte sogar noch größer sein, da Clearstream zwar den überwiegenden Teil, aber nicht alle Bestände deutscher Investoren erfasst“, schreiben Michl und Pirl.
Für andere europäische Märkte sind vergleichbare Marktzahlen laut BVI nicht verfügbar, auf Basis von Schätzungen und Erhebungen zur Zahl der ETF-Anleger sei die Verbreitung in Deutschland aber weit überdurchschnittlich. Übrigens: Auch beim kumulierten Neugeschäft aller in der Eurozone aufgelegten Produkte in den letzten beiden Jahren entfällt auf Deutschland ein Anteil von mindestens 23 %.
Starkes Wachstumspozenzial über die kommenden Jahre
In den USA – dem weltweit größten Markt für ETFs – belief sich das ETF-Vermögen zur Jahresmitte 2025 laut US-Fondsverband ICI auf rund 11,5 Bio. USD. Das Netto-Neugeschäft betrug allein im ersten Halbjahr 2025 über 500 Mrd. USD. In Europa beginnt sich laut BVI eine verstärkte Nutzung von ETFs als Vehikel für aktive Strategien ebenfalls abzuzeichnen. Zudem würden ETFs an Bedeutung gewinnen für die Altersvorsorgesysteme verschiedener Staaten. Vor diesem Hintergrund ergeben sich große Wachstumspotenziale in Deutschland und Europa – und das über die starken Zuwächse in den vergangenen Jahren hinaus.
