Sollte man auf Gewinner oder Verlierer setzen? Die Antwort ist so eindeutig, wie sie an der Börse selten ist: Heutige Gewinner sind meist auch morgen die Gewinner, Verlierer bleiben oft auf der Verliererstrecke. Wer aktuell in einen DAX-ETF investiert, verfolgt – teilweise – eine Verliererstrategie.
SAP-Aktien – Nummer eins in Deutschland, Nummer drei in Europa und Nummer 29 weltweit – werden von DAX-ETFs abgestoßen und stattdessen die anderen 39 DAX-Titel aufgestockt.
Die Börse setzt eine Obergrenze von 15 % für Einzelaktien – ein Limit, das SAP regelmäßig überschreitet. Im September 2024 reduzierte die Deutsche Börse erstmals das Gewicht ihrer erfolgreichsten DAX-Aktie SAP von 15,4 % auf 15 %. Dies unterbrach den Aufwärtstrend der SAP-Aktie nicht, und bis zum nächsten Rebalancing-Termin stieg das Gewicht von SAP auf 16,7 %.
Erneut mussten ETFs SAP-Aktien massiv verkaufen, da die Börse ihr Gewicht im Dezember auf 15 % zurückstutzte. Diesmal schmerzte es stärker, da proportional die anderen 39 DAX-Titel gekauft werden mussten, von denen die meisten eine deutlich ungünstigere Performance aufwiesen als SAP.
Auch andere europäische Börsen stehen vor ähnlichen Herausforderungen. So wird beispielsweise im niederländischen Leitindex das Gewicht von ASML mit 20 % auf 15 % gedeckelt, und im Schweizer Leitindex SMI führen hohe Gewichtungen von Unternehmen wie Nestlé, Roche und Novartis zu vergleichbaren Problemen.
Stellen Sie sich vor, S&P Dow Jones Indices hätte dies mit Nvidia, Apple oder Microsoft in seinen Indizes getan.
Das Problem ist hausgemacht: Die Deutsche Börse – wie andere auch in Europa – begrenzt das Gewicht von Namen im DAX auf 15 %. Das Unglückliche daran ist, dass viele Fonds gegen höhere Limits stimmen, da sie europäischen Regularien unterliegen. Diese besagen, dass nicht mehr als 10 % des Vermögens in eine einzelne Aktie investiert werden dürfen.
Dies soll die größtmögliche Diversifikation sicherstellen. So sind die Fonds gefangen: Sie werden am DAX gemessen, dürfen aber 10 % weniger in SAP investieren als ein Index-ETF. Übrigens: Die EU hält eine Diversifikation mit 20 % in einer Einzelaktie für ETFs für ausreichend – warum dies so ist, bleibt unklar.
Die Deutsche Börse hat Schritte zur Bewältigung des Problems unternommen und in der vergangenen Woche zwei neue Versionen des DAX-Index eingeführt: den DAX Uncapped und den DAX 20%.
Obwohl ich die Entscheidung der Deutschen Börse als Schritt in die richtige Richtung betrachte, ist dies nicht mehr als ein Kompromiss. Die meisten dieser Regeln, die globale Superstars daran hindern, in Europa erfolgreich zu sein, müssen abgeschafft werden.
Fondsmanager sollten nicht daran gehindert werden, gut laufende Aktien zu halten, und sie sollten die freie Wahl der optimalen Diversifikation für ihre Portfolios haben.
Investoren, die jeden Fonds vor dem Kauf sorgfältig prüfen sollten, können dann entscheiden, ob sie Index-ETFs und aktive Fonds wünschen, die alle Aktien gleich gewichten, sie auf irgendeine Weise begrenzen oder die vollständige Freiheit zulassen, Gewinner unbegrenzt laufen zu lassen.
In Europa gibt es nur wenige Aktien, die nach globalen – amerikanischen – Maßstäben moderat groß sind, und in Deutschland derzeit nur SAP. Diese wenigen Börsenstars sollten keine Hindernisse in den Weg gelegt bekommen, auch wenn dies angeblich dem Anlegerschutz dient.
Europa verhindert somit, dass Aktien wirklich groß werden. Im DAX und in aktiv gemanagten Fonds mit Fokus auf deutsche Aktien kostet dies derzeit Anleger Rendite.
Selbst in Walldorf gibt es Unzufriedenheit, wenn ETFs und Fonds nicht so viele SAP-Aktien halten dürfen, wie sie möchten, und gezwungen sind, diese erfolgreichste Aktie zu verkaufen. Dies ist das Gegenteil von Wohlstandschaffung.
Tobias Sproehnle ist Gründer und CEO von PANTA. Zuvor war er Leiter Indizes Europa bei Morningstar und CEO von Moorgate Benchmarks.





