Europäische Investoren setzten 2022 erneut auf kostengünstige Kern-ETFs. Volatilität und eine beispiellose Korrelation der Vermögenswerte steigerten die Nachfrage nach breit gefächerten Strategien.
Viele optimistische Trends des Vorjahres kehrten sich um. ETFs verzeichneten 2022 Zuflüsse von etwas mehr als 80 Milliarden Euro. Das ist weniger als die Hälfte des Geldes von 2021. Es war die langsamste Mittelbeschaffung seit 2018, so Daten von Bloomberg Intelligence.
Diese Zahlen verdecken jedoch den deutlichen Umschwung von Publikumsfonds hin zu ETFs im Jahr 2022. Bis November übertrafen die Zuflüsse in ETFs die Publikumsfonds jeden Monat.
Während einfache Kernprodukte diese Stärke zeigten, deuten die Zuflüsse auch auf andere Trends hin. Dazu gehören eine Wiederbelebung bei Rohstoffen, eine Zinswende im Anleihenbereich und auch ESG-Produkte, die ihre Stärke bewiesen.
Kostengünstige Bausteine
Zum zweiten Mal in Folge belegte der iShares Core MSCI World UCITS ETF (IWDA) 2022 den Spitzenplatz bei den ETF-Zuflüssen. Laut Daten von ETFLogic sammelte er netto 6,5 Milliarden US-Dollar neue Vermögenswerte an.
Im Jahr 2021 flossen dem ETF 10,2 Milliarden US-Dollar zu. Das war damals mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr.
Weitere Kern-ETFs mit hohen Vermögenszuflüssen waren der iShares Core S&P 500 UCITS ETF (CSPX) mit 4,5 Milliarden US-Dollar Zufluss, der Xtrackers DAX UCITS ETF (DBXD) mit 3,6 Milliarden US-Dollar, der Vanguard FTSE All-World UCITS ETF (VWRL) mit 3,5 Milliarden US-Dollar und der iShares MSCI ACWI UCITS ETF (ISAC) mit 2,6 Milliarden US-Dollar.
ETF-Analysten von Bloomberg Intelligence, Athanasios Psarofagis und Henry Jim, stellten fest, dass die Beliebtheit kostengünstiger Kern-ETFs zu„einer der wichtigsten“Jahre für das Anlagevehikel beitrug.
Tatsächlich investierten europäische Anleger in den sechs Monaten bis zum 16. November 22 Milliarden Euro in ETPs mit Gebühren von unter 0,20 %. Gleichzeitig zogen sie 28 Milliarden Euro aus teureren Produkten ab. Dies unterstreicht die Präferenz für kostengünstige ETP-Angebote in volatilen Marktphasen.
Darüber hinaus hält der günstige passive Riese Vanguard nur 6 % des europäischen ETP-Marktes, machte aber 16 % der Neugelder im Jahr 2022 aus.
David Hsu, Senior Equity Index und ETF Product Specialist bei Vanguard, sagte gegenüberETF Stream: „Es ist klar, dass das Wachstum von ETFs nicht nur auf die Jagd nach Investmenttrends zurückzuführen ist, sondern auch von längerfristigen, säkularen Trends im Marktumfeld angetrieben wird, insbesondere der Wandel hin zu kostengünstigem Investieren. Vor diesem Hintergrund sind wir sehr optimistisch für eine weitere Akzeptanz von ETFs in Europa.“
US-Staatsanleihen profitieren von Zinswende
ETFs ermöglichten es Investoren auch, Überzeugungen im festverzinslichen Bereich auszudrücken. Dazu gehörte die Rückkehr der US-Staatsanleihen in die Gunst, als die Renditen aufgrund der schnellsten Zinserhöhungen seit zwei Jahrzehnten stark anstiegen.
Die führenden Nutznießer waren der iShares $ Treasury Bond 7-10yr UCITS ETF (IBTM) und der iShares $ Treasury Bond 3-7yr UCITS ETF (CBU7). Sie verzeichneten Zuflüsse von 4,7 Milliarden bzw. 3,2 Milliarden US-Dollar, als die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen in den ersten 10 Monaten des Jahres 2022 von 1,51 % auf 3,49 % stieg.
Investoren suchten auch Schutz vor geldpolitischen Veränderungen, indem sie in ETFs mit kürzeren Laufzeiten von US-Staatsanleihen investierten. So flossen 1,4 Milliarden US-Dollar in den iShares $ Treasury Bond 0-1yr UCITS ETF (IB01).
Rohstoffe im Trend
ETFs waren weit mehr als nur kostengünstige Werkzeuge für Buy-and-Hold-Investitionen. Sie bewiesen im vergangenen Jahr ihre Eignung als Instrument für taktische Asset Allocation. Mit einem jährlichen Handelsvolumen von über 2 Billionen US-Dollar in Europa nutzten Investoren das Vehikel, um kurzfristige und zyklische Überzeugungen auszudrücken.
Ein Paradebeispiel dafür war der Xtrackers Bloomberg Commodity ex-Agriculture & Livestock Swap UCITS ETF (VBCU) mit Zuflüssen von 2,3 Milliarden US-Dollar. Investoren suchten damit nach Absicherung gegen überhöhte Energie- und Rohstoffpreise und mieden gleichzeitig landwirtschaftliche Rohstoffe.
Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, der die Gasversorgung Europas bedrohte, einigten sich die OPEC-Mitglieder auf neue tägliche Ölförderlimits. Dies trieb die Preise für fossile Brennstoffe auf Niveaus, die seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen wurden.
Dieser Trend führte auch zu Zuflüssen von 918 Millionen US-Dollar in den WisdomTree Brent Crude Oil ETC (BRNT), so ETFLogic.
Außerhalb des Energiesektors ließen sich Investoren vom starken US-Dollar nicht abschrecken und erhöhten weiterhin ihre Goldbestände. Da Investoren nach sicheren Häfen suchten, verzeichnete der iShares Physical Gold ETC (IGLN) netto 1,2 Milliarden US-Dollar neue Vermögenswerte.
ESG bleibt stark
Ein weiterer bemerkenswerter Trend war die Widerstandsfähigkeit der Nachfrage nach ESG-ETFs in Europa. Trotz unterdurchschnittlicher Performance aufgrund der Untergewichtung von Energie und fraglicher Nachhaltigkeitszertifikate vor der zweiten Phase der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) sicherten sich ESG-Varianten von Kernanlagen im Jahr 2022 einige Spitzenplätze bei den europäischen Zuflüssen.
Angeführt wurde die Liste mit 4,7 Milliarden US-Dollar Neugeld vom iShares MSCI USA ESG Enhanced UCITS ETF (EEDS), gefolgt von entsprechenden ETFs für andere Regionen wie dem iShares MSCI Europe ESG Enhanced UCITS ETF (EEUD) und dem iShares MSCI EM ESG Enhanced UCITS ETF (EDM2) mit Zuflüssen von 1,6 Milliarden bzw. 1,3 Milliarden US-Dollar.
Interessanterweise zeigte sich ein ähnliches Interesse an thematischen Anlagen im Bereich saubere Energie. Trotz der Herabstufung auf 'Light Green' Artikel 8 gemäß SFDR verzeichnete der iShares Global Clean Energy UCITS ETF (INRG) in den letzten 12 Monaten Zuflüsse von 758 Millionen US-Dollar.
Wie ESG-ETFs künftig kategorisiert werden und ob sie ihre Popularität der letzten Jahre fortsetzen können, wird 2023 ein wichtiges Thema sein.
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