Regulatorische Änderungen, neue Produkte und Indexanpassungen machen Atomkraft zum Trendthema des letzten Jahres. Zuvor zeigten sich Themen-ETFs über weite Strecken verhalten.
Atomkraft war aus dem europäischen ETF-Angebot praktisch verschwunden. ESG-Ausschlüsse und das Delisting des ETFS WNA Global Nuclear Energy GO UCITS ETF (NUKE) im Jahr 2014 hatten dazu geführt. Dies änderte sich im vergangenen Jahr schlagartig. Der Bedarf zur Diversifizierung des europäischen Energiemixes wurde nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine offenbar.
Im April brachen zwei ETFs neue Wege auf: Der Global X Uranium UCITS ETF (URNU) und der HANetf Sprott Uranium Miners UCITS ETF (URNM). Sie boten europäischen ETF-Anlegern fast ein Jahrzehnt nach langer Abstinenz erstmals Zugang zum Sektor.
Die beiden Produkte kamen genau richtig. Die EU entschied, Kernkraft in ihre Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten aufzunehmen. Gleichzeitig unterstrichen sie die Rolle der Atomkraft für grünen Wasserstoff im Rahmen der 315-Milliarden-Euro-Politik RePowerEU.
Auch anderswo profitierte die Energiequelle im vergangenen Jahr von positiven Nachrichten. Der US-amerikanische Inflation Reduction Act im Wert von 385 Milliarden US-Dollar sieht Steuergutschriften für bestehende Atomkraftwerke vor. Japan kündigte überraschend an, seinen ersten Reaktor seit der Katastrophe von Fukushima 2011 wieder hochzufahren – ein Vertrauensbeweis.
Das Interesse am Sektor ist weit mehr als eine Eintagsfliege. Es hält weiter an. So enthüllteETF StreamAnfang des Monats den Start des VanEck Uranium and Nuclear Technologies UCITS ETF (NUCL).
NUCL zielt darauf ab, mehr Unternehmen am Ende der Wertschöpfungskette im Versorgungsbereich abzudecken als seine Wettbewerber. Der ETF berücksichtigt neue Innovationen wie Fusionsenergie und Salzschmelzkühlung bei deren Kommerzialisierung.
Zudem teilten Morningstar und SolactiveETF Streammit, dass sie keine sofortigen Auswirkungen der EU-Taxonomie-Änderungen auf die Indexkonstruktion erwarten. Dies liegt daran, dass Kunden bereits festgelegte eigene Ansichten zum Sektor haben.Dies, obwohl die Debatten über die Taxonomie-Änderungen im letzten Sommer heftig waren.
In diesem Monat erklärte Manuela Sperandeo, Head of Sustainable Indexing für EMEA bei BlackRock, ineinem aktuellen Webinargegenüber ETF Stream, dass ihr Unternehmen Kunden zur Rolle von Atomkraft in ESG-Indizes befragt habe.
„Wir haben intensiv mit unseren Indexanbieter-Partnern über einen Plan zur Konsultation des Marktes diskutiert“, sagte sie. „Es wird zukünftige Entwicklungen geben, sobald wir mehr Klarheit über die nachhaltige Taxonomie der EU haben.“
Die EU prüft die Rolle der Atomkraft in der Taxonomie alle paar Jahre. Das könnte darauf hindeuten, dass ihre teilweise grünen Zertifikate nur temporär sind. Die Europäische Aufsichtsbehörde (ESA) wurde jedoch beauftragt, einen Rahmen für die Klassifizierung verschiedener nuklearer Teilsektoren zu entwickeln. Dies geschieht unter Stufe 2 der Sustainable Finance Disclosures Regulation (SFDR). Es deutet auf investierbare ESG-Möglichkeiten hin.
Dies wäre ein Systemwechsel. Zuvor hatte die Technische Expertengruppe der EU die Energiequelle 2020 als nicht ESG-konform abgelehnt. Laut Natixis lag die Exposition von Artikel-8- und Artikel-9-Fonds gegenüber Atomkraft Ende 2021 bei unter 2 %. Aktuell sind URNM und URNU gemäß SFDR als Artikel-6-Fonds eingestuft.
Mit Blick nach vorn scheint die Rolle der Atomkraft in der Energiewende unvermeidlich.
Die Internationale Energieagentur (IEA) fordert eine Verdoppelung der Nuklearkapazitäten für die Erreichung der Netto-Null-Ziele bis 2050. Zudem darf die geringe CO2-Intensität der Atomenergie nicht ignoriert werden. Sie produziert 29 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom über ihre Lebensdauer. Zum Vergleich: Wind und Solar emittieren 26 Gramm. Biomasse, Wasserkraft und Geothermie produzieren 45, 75 bzw. 78 Gramm.Dies geht aus einer Studie von Renewable and Sustainable Energy Reviews hervor.
Deutschland und Belgien erwägen nun die Laufzeitverlängerung bestehender Reaktoren. Großbritannien und Frankreich werden voraussichtlich über 70 Milliarden Euro für den Ausbau ihrer Kapazitäten ausgeben. Die Chancen im Nuklearbereich und die jüngste Aufmerksamkeit des ETF-Sektors dürften daher weiter zunehmen.
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