In den 1990er Jahren setzte sich in der Makroökonomie und in der Welt der Zentralbanken ein neuer Konsens durch: Notenbanken sollten ihre Zinsentscheidungen unabhängig und transparent treffen. Die Bank of England (BoE) löste sich 1997 aus der Kontrolle des Finanzministers. Die Europäische Zentralbank (EZB) betrieb von Anfang an eine unabhängige Geldpolitik. Auch die Federal Reserve (Fed), deren Unabhängigkeit sich über das 20. Jahrhundert entwickelt hatte, wurde transparenter und veröffentlichte ihre Protokolle.
Umso größer ist die Bestürzung über den Druck der Trump-Regierung auf die Fed in diesem Jahr. Die US-Notenbank soll seinem Willen nach die Zinsen aggressiv senken. Und das, obwohl die Inflation mit 2,9 % über dem Zielwert von 2,0 % liegt. Präsident Trump warf dem Fed-Vorsitzenden Powell Zögerlichkeit vor und versuchte, die „falkenhafte“ Fed-Gouverneurin Lisa Cook zu entlassen. Stattdessen installierte er Stephen Miran, der allein in diesem Jahr fünf Zinssenkungen gefordert hat.
Anleger fragen sich zu Recht, welche Auswirkungen eine direkte Kontrolle der Fed durch das Weiße Haus auf ihre Portfolios hätte.
Märkte, nicht Politiker, bestimmen die Langfristzinsen
Für den Eifer der Regierung gibt es viele Gründe. Eine boomende Wirtschaft wäre im Wahlkampf politisch nützlich. Präsident Trump beklagt zudem den Gegenwind durch hohe Zinsen. Die Zinsen für 30-jährige Hypotheken liegen derzeit bei über 6,30 %. Zudem hofft die Regierung, Zinssenkungen würden das enorme Haushaltsdefizit (über 6 % des BIP) entlasten.
Diese Haltung offenbart jedoch ein Missverständnis darüber, wie Marktzinsen funktionieren.
Die 30-jährigen Hypothekenzinsen leiten sich direkt von den 10-jährigen US-Staatsanleihen ab. Beide Zinssätze folgen langfristig dem gleichen Muster. Das eigentliche Problem ist: Die Renditen von US-Staatsanleihen – und damit die Hypothekenzinsen – werden von Käufern und Verkäufern am Markt bestimmt. Die Fed kontrolliert nur den kurzfristigen Leitzins. Dasselbe gilt für die Kosten des Schuldendienstes. Diese spiegeln die längerfristigen Marktrenditen wider, nicht den Leitzins der Fed.
Ohne Fed-Anker droht eine galoppierende Inflation
Dies führt zu den Konsequenzen einer politisch kontrollierten Fed. Zinssenkungen mögen die Wirtschaft kurzfristig ankurbeln. Das größte Risiko ist jedoch die Inflation.
Die Inflation in den USA liegt bereits über dem Zielwert. Eine Aufhebung der Unabhängigkeit der Fed würde jede Hoffnung auf Inflationskontrolle zerstören. Die Wissenschaft ist sich einig: Allein die Existenz einer unabhängigen Zentralbank dämpft die Inflationserwartungen.
Als die Unabhängigkeit der BoE 1997 bekannt gegeben wurde, preiste der britische Anleihenmarkt (Gilt-Markt) sofort eine sinkende Inflation ein. Man kann davon ausgehen, dass die Abschaffung der Fed-Unabhängigkeit den gegenteiligen Effekt hätte. Der Zeitpunkt könnte nicht schlechter sein, da die Inflation bereits angeheizt ist. Ohne ein Inflationsmandat gäbe es keine Sicherheit mehr, dass die Teuerung bekämpft wird.
Die Inflationserwartungen würden explodieren. Gleichzeitig würde der US-Dollar wahrscheinlich weiter abwerten, da das Vertrauen in das US-Finanzsystem schwindet.
Abgewürgt – Die Unabhängigkeit der Bank von England dämpfte die Inflationserwartungen im Vereinigten Königreich Ende der 1990er Jahre
31. Dezember 1996 bis zum 31. Dezember 1998
Quelle: Bloomberg
Warum ein Kerninvestment in US-Aktien Portfolios schützen könnte
Was also tun? Die Geschichte zeigt, dass reale Vermögenswerte wie Rohstoffe, Immobilien und Gold in Inflationsphasen gut abschneiden. Ein fallender US-Dollar wäre zudem positiv für Aktien aus Schwellenländern.
Multi-Asset-Anleger können jedoch nicht alles auf eine politische Wende setzen. Spezifische Absicherungen sind teuer und können die Volatilität erhöhen. Gold ist mit zeitweise über 4.000 USD pro Unze bereits teuer.
Die gute Nachricht: Eine Anlageklasse, die die meisten Anleger bereits besitzen, bewältigt Inflation historisch effektiv: US-Aktien. Die Gewinne von US-Unternehmen (die „USA Inc.“) konnten die Inflation über die Zeit stets ausgleichen. Sie agieren quasi als Preissetzer.
Eine plötzliche Abschaffung der Fed-Unabhängigkeit könnte zwar einen kurzfristigen Schock auslösen. Anleger täten jedoch gut daran, an ihrem Kerninvestment in US-Aktien festzuhalten. In diesem Sinne sind sie vielleicht schon bereit für eine „Trump-Fed“, ohne es zu wissen.
Im Griff – Die US-Unternehmensgewinne haben die Inflation im Laufe der Zeit problemlos überstanden
31. Mai 1983 bis zum 31. August 2025

Quelle: Bloomberg
Julian Howard ist leitender Multi-Asset-Anlagestratege bei GAM Investments.



