Eine Woche voller ESG-Schlagzeilen mag normal klingen. Doch neue Erkenntnisse zur Performance, zum Management und zu den Inhalten dieser Anlageklasse zeigen: Ein gemeinsames Verständnis ist noch nicht in Sicht.
Eine der wichtigsten Entwicklungenkam von MSCI. Der Indexanbieter stellte fest, dass 2021 vier von fünf ESG-Varianten seines MSCI ACWI (All Country World Index) ihre Mutterindizes übertrafen. Über drei und fünf Jahre schnitten sogar alle fünf ESG-Varianten besser ab als der konventionelle Index.
Das ist bemerkenswert. Denn obwohl die MSCI ESG-Indizes Sektoren nicht ausschließen, untergewichten sie den Energiesektor im Schnitt um fast 1 %. Der MSCI ACWI SRI untergewichtet Öl und Gas sogar um deutliche 2,4 %. Der Energiesektor zeigte zwar im letzten Jahr eine herausragende Performance. Dennoch übertrafen die MSCI-Indizes durch Übergewichtung von Tech-Werten wie Microsoft und Halbleiterherstellern und Untergewichtung schwächelnder Sektoren wie der Luftfahrt.
Der ESG-Stil-Bias zugunsten von Wachstumsaktien ist nichts Neues. Die Fähigkeit zur Outperformance, selbst in einem relativ starken Jahr für zyklische Sektoren, ist jedoch aussagekräftig. Allerdings gibt es keine Garantie, dass die Outperformance des Wachstumsfaktors Bestand hat, falls die Zinsen länger hoch bleiben.
Diese Korrelation beruht auch auf dem Bias von ESG hin zu Umweltaspekten. Eine stärkere Fokussierung auf soziale und auf ethische Aspekte (Governance) könnte zu höheren Gewichtungen bei Unternehmen führen, die mehr Arbeitsplätze schaffen, höhere Steuern zahlen und mehr langfristige Stabilität bieten.
Ein Bericht von Capital Monitor zeigt zudem: Top-europäische ETF-Emittenten wie BlackRock, Amundi, DWS, Invesco und LGIM verknüpfen die Boni ihrer Führungskräfte mit ESG-Zielen. Dazu zählen das Wachstum der nachhaltigen verwalteten Vermögen (AUM), die Entwicklung grüner Produkte, ESG-Fondsratings, Stewardship und ESG-Prozesse im gesamten Fondsuniversum.
Boni an strategische Ziele zu koppeln, ist kein neues Phänomen. Dennoch beeinflusst dies hier zwangsläufig die Geschwindigkeit der Einführung und die Ausgestaltung von ESG in ETFs.
Schließlich ist unser Verständnis von ESG noch im Fluss. Die EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten schloss Kernenergie und Erdgas ein. Dagegen klagten Österreich und Luxemburg. Deutschland könnte sich dem Widerstand anschließen.Deutschland könnte sich dem Widerstand anschließen
Die EU ist zweifellos führend bei der Formalisierung von ESG durch verschiedene bestehende und kommende Rahmenwerke. Doch ihr Versuch, im Wesentlichen moralische Fragen zu standardisieren, wird unweigerlich zu monate- oder jahrelangen Rückschlägen und Kompromissen bei Definitionen und Datenerfassungsmethoden führen.
Potenzial für Wertsteigerung hat Grenzen
Ein weiteres Thema dieser Woche war der schmerzhafte Jahresstart für Wachstumsaktien. Auslöser waren restriktive Äußerungen der Federal Reserve und mehrere Zinserhöhungen.
Vor diesem Hintergrund verlor der wachstumslastige S&P 500 in den ersten 24 Tagen des Jahres 9,8 %. Viele kauften zwar die Tiefs. Andere bevorzugten Unternehmen mit stärkeren Bilanzen. Der iShares Edge MSCI USA Value Factor UCITS ETF (IUVF) und der iShares Edge MSCI Europe Value Factor UCITS ETF (IEFV) verzeichneten bisher die höchsten Zuflüsse aller europäischen ETFs. Zusammen kamen 848 Mio. US-Dollar hinzu.
Da jedoch viele Value-orientierte Indizes im Januar ihre konventionellen und Wachstums-Pendants übertrafen, warnte Scott Chronert (Citi): Value wirke "immer weniger wie eine gespannte Feder". Citi bevorzuge zwar weiterhin Value. Doch der Trend zur Neupositionierung und die damit verbundene Marktstimmung werden nachlassen, da die Fundamentaldaten des Wachstums intakt bleiben und die Fed ihre Haltung lockert.
Die Zukunft der Immobilienaktien?
Unser letzter Hinweis der Woche betrifft zwei neue, unkonventionelle Wege, in Immobilien zu investieren – von WisdomTree und 21Shares.
Der erste ist der WisdomTree New Economy Real Estate UCITS ETF (WTRE). Er bietet Zugang zu globalen Immobilienunternehmen aus den Bereichen Technologie, Wissenschaft und E-Commerce. Dazu gehören Rechenzentren, Funktürme und Logistikhallen. Zwar gibt es bereits Tech-Immobilien-ETFs. Doch die Verknüpfung mit E-Commerce-Logistik ist interessant. Die Gesamtkostenquote (TER) von 0,45 % ist für einen Themen-ETF angemessen.
Das zweite, eher ungewöhnliche Produkt ist die 21Shares Decentraland ETP (MANA). Es ist das erste Derivat, das Zugang zu einer dezentralen, nutzergesteuerten Plattform bietet. Nutzer können dort Inhalte erstellen und monetarisieren, etwa durch den Kauf von virtuellem Land. Für diese Art von Metaverse-Immobilien verlangt MANA eine Gebühr von 2,5 %.
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