Das Vereinigte Königreich muss „wieder einen Platz bekommen“ in der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). Das sagt Jacques de Larosière. Er ist einer der Hauptarchitekten des EU-Finanzaufsichtssystems.
Larosière war früher geschäftsführender Direktor des IWF und Gouverneur der Banque de France. Er forderte diese Woche auf einer Konferenz in Paris die Wiedereinsetzung der britischen Vertretung in der ESMA. Die Konferenz wurde vom europaweiten Finanzaufseher ausgerichtet.
Brexit zwang britische Regulatoren, ihre Mitgliedschaft in der ESMA aufzugeben. Dort spielten sie eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des EU-Regulierungssystems. Doch London ist ein wichtiges Finanzzentrum. Daher sollte das Vereinigte Königreich wieder am Tisch sitzen. Britische Experten könnten dort neben anderen europäischen Regulierern die Regeln für Kapitalmärkte mitgestalten, so Larosière.
Asset Manager würden Larosières Idee begrüßen. Dies gilt insbesondere für große US-Player wie BlackRock, Vanguard und JP Morgan Asset Management. Sie sind wichtige Arbeitgeber im britischen Investmentsektor.
Globale Vermögensverwalter drängen seit langem darauf, dass die britischen Regeln eng am EU-Regulierungsrahmen bleiben. Abweichungen sind jedoch unvermeidlich geworden. Ein Beispiel sind die Pläne der Financial Conduct Authority (FCA). Diese sehen neue, vereinfachte Regeln für „Consumer Composite Investments“ vor. Sie ersetzen EU-Vorschriften für UCITS und PRIIPS (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products). Diese Unterschiede zwischen UK und EU führen jedoch zu Reibungsverlusten und Kosten. Für normale Anleger gibt es keine klaren Vorteile.
Bekannte und oft diskutierte Themen standen im Mittelpunkt der ESMA-Konferenz. Dazu gehörten die Fragmentierung der Kapitalmärkte, die Schließung von Finanzierungslücken für Unternehmen und die Gewinnung mehr privater Sparer für das Investieren.
Die Debatten zeigten eine deutlich höhere Dringlichkeit. Es gab eine klare Einigkeit darüber, dass die EU handeln muss. Donald Trump wurde zwar nicht erwähnt. Doch die radikale Agenda des US-Präsidenten beschäftigt die europäischen politischen Entscheidungsträger.
Am selben Tag zeigte ein weiterer erfahrener Regulator, Jean-Paul Servais, den Vorsitzenden der International Organization of Securities Commissions (IOSCO), ein Exemplar des Economist. Die Schlagzeile lautete „Revolt against Regulation“. Servais sagte, es sei Zeit für einen neuen Ansatz zum Schutz von Privatanlegern.
PRIIPs und KIIDs (Key Investor Information Documents) enthalten zu viele verwirrende Informationen. Die Anforderungen an Nachhaltigkeitsberichte müssen vereinfacht werden. Das PEPP – der Pan European Personal Pension Product – sei eine „Katastrophe“, so Servais. Er hat Recht.
Tanguy van de Werve, Leiter der EFAMA, dem Verband der Vermögensverwalter in Europa, warnte. Jüngere europäische Bürger würden aufgrund demografischer Entwicklungen nur „Pfennige aus Renten“ von Regierungen erhalten. Dies sollte eine enorme Chance für Vermögensverwalter sein, Neugeschäft zu generieren. Doch die Systeme zur Kundenaufnahme – der Prozess, Privatanleger zu registrieren – für Renten und Investitionen müssten dringend vereinfacht werden, sagte van de Werve.
Politiker sind enttäuscht. Sorgfältig ausgearbeitete Standards zum Anlegerschutz für Fonds und private Altersvorsorge waren unwirksam, um neue Kunden zu gewinnen. Kryptoproduktanbieter hingegen, die keine echten Sicherheiten bieten, haben hunderttausende Kunden in mehreren europäischen Ländern gewonnen.
Die Zugänglichmachung der Investmentbranche für alle ist entscheidend für das Wohlergehen aller europäischen Bürger. Das sagte Maria Luís Albuquerque, die neue EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen und die Union der Sparkassen und Investitionen, auf der Konferenz. Schöne Worte. Albuquerque steht jedoch vor enormen Herausforderungen, ihre Aufgabe zu erfüllen.
Sie räumte offen ein, dass die zersplitterte Struktur der europäischen Kapitalmärkte es Unternehmen erschwert. Investoren suchen daher anderswo, meist in den USA.Leser von ETF Stream
Die Rolle der ESMA bei der Überwachung und Förderung der Entwicklung der europäischen Kapitalmärkte ist ein weiteres heiß diskutiertes Thema. Kommissarin Albuquerque wünscht sich einen stärker harmonisierten Aufsichtsrahmen in der EU. Sie möchte weniger Spielraum für nationale Regulierer, die durch „Gold Plating“ neuer Regeln zusätzliche Komplikationen schaffen.
Die Kommissarin hinterfragte auch, ob nationale Regulierer Kompetenzen aufbauen sollten, wenn dies auf EU-Ebene geschehen kann. Nationale Regulierer werden ihr bestehendes Mandat verteidigen wollen. Doch der Druck, Befugnisse an eine erweiterte ESMA abzugeben oder zu teilen, scheint unvermeidlich.
Larosière glaubt, dass sich die ESMA zu einer Organisation entwickeln wird, die der US Securities and Exchange Commission ähnelt. Diese hat weitaus umfassendere Sanktions- und Durchsetzungsbefugnisse.
Wenn Larosière mit seiner Einschätzung zur Wiedereingliederung des Vereinigten Königreichs in die ESMA Recht hat, dann gilt dasselbe logischerweise auch für die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (EIOPA) und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Dies gilt angesichts der Rolle der City of London als Anbieter von Versicherungs-, Renten- und Bankdienstleistungen.
Das Vereinigte Königreich weiterhin aus Debatten über diese möglichen Entwicklungen in der EU auszuschließen, kann nicht im britischen Interesse sein. Bedauerlicherweise gibt es noch keine Anzeichen dafür, dass die Labour-Regierung eine Diskussion über die Zukunft der Finanzregulierung in Großbritannien und der EU erwägt.









