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Italiens Stabilität entscheidet über Kurs der EZB im unsicheren Umfeld

50 Basispunkte Zinsanhebung am vergangenen Donnerstag

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Rekordinflation, sinkende Wachstumsaussichten und politische Turbulenzen in Italien schaffen das schwierigste Marktumfeld für die Europäische Zentralbank (EZB) seit der Staatsschuldenkrise vor einem Jahrzehnt.

Vergangenen Donnerstag hob die EZB erstmals seit 2011 die Zinsen um 50 Basispunkte (bps) an. Ziel ist es, die explodierende Inflation in der Eurozone zu bekämpfen. Diese erreichte im Juni mit 8,6 % einen Rekordwert im Euroraum und beendete damit acht Jahre negativer Zinsen.

„Wir erwarten, dass die Inflation noch einige Zeit unerwünscht hoch bleiben wird“, sagte Präsidentin Christine Lagarde nach der Entscheidung.

Die Zentralbank führte zudem ein Instrument gegen Marktfragmentierung ein: das Transmission Protection Instrument (TPI). Es erlaubt der EZB, unbegrenzt Staatsanleihen eines Landes zu kaufen. Dies soll „unbegründete, ungeordnete Marktdynamiken“ verhindern.

Die EZB beabsichtige zwar nicht, das TPI einzusetzen. Dennoch schützt es die Anleihe-Renditen von „Randstaaten“ wie Italien und Griechenland. Diese drohen erheblich zu steigen, wenn Europa in eine Rezession rutscht.

Händler reagierten auf die Zinserhöhung und das neue Instrument jedoch skeptisch. Die Rendite-Differenz zwischen italienischen und deutschen 10-Jahres-Staatsanleihen weitete sich am Donnerstag um 20 bps auf 230 bps aus. Das liegt nahe am Vierjahreshoch vom Juni, so Daten von Bloomberg.

Die Zinserhöhung erfolgte Stunden nach dem Rücktritt von Italiens Premierminister Mario Draghi. Er verlor die Unterstützung der Koalitionspartner Fünf-Sterne-Bewegung, Forza Italia und Lega.

Das Parlament wurde daraufhin aufgelöst. Präsident Sergio Mattarella plant Neuwahlen für Oktober.

„Die EZB hat wohl den schwierigsten Balanceakt aller großen Zentralbanken“, meint Garry White, Chief Investment Commentator bei Charles Stanley. „Steigen die Zinsen zu stark und zu schnell, geraten viele Länder leicht in Stagflation oder Rezession.

„Obendrein bereiten nun auch die politischen Probleme in Italien der EZB Sorgen. Für die geldpolitischen Entscheidungsträger der EZB ist die Inflation nicht die einzige Sorge, anders als bei westlichen Zentralbanken.“

Die EZB stehtvor einem ähnlichen Drahtseilaktwie die US-Notenbank Federal Reserve: Zu schnelle Zinserhöhungen könnten die Konjunktur in eine Rezession stürzen. Hinzu kommt das Risiko politischer Turbulenzen.

Morgane Delledonne, Head of Investment Strategy für Europa bei Global X, bezeichnete den Schritt der EZB als „verzweifelte“ letzte Chance, die Zinsen vorder drohenden Rezession

„In ganz Europa, besonders aber in Italien, führt die anhaltende Inflation zu politischer Instabilität“, so Delledonne weiter. „Dies ist eine sehr herausfordernde Zeit für die EZB, die offensichtlich alles tut, um die Inflation zu bekämpfen und die Inflationserwartungen zu verankern, selbst auf Kosten einer möglichen Rezession.“

Interessanterweise haben die Entscheidung der EZB und der leichte Ausverkauf risikoreicher Anlagen einige europäische Investoren zu schwächeren Kreditqualitäten und längeren Laufzeiten geführt.

Laut Daten von ETFLogic verzeichnete der iShares Core € Corp Bond UCITS ETF (IEAC) allein am vergangenen Donnerstag Zuflüsse von 80 Mio. $. Gleichzeitig investierten Anleger 59 Mio. $ in den iShares € High Yield Corp Bond UCITS ETF (IHYG).

Anleger setzten zudem auf längere Laufzeiten. Sie schichteten am selben Tag 420 Mio. $ in den Xtrackers Eurozone Government Bond 5-7 UCITS ETF (DBXR) und 80,6 Mio. $ in den iShares € Govt Bond 20yr Target Duration UCITS ETF (IS05). Der iShares € Govt Bond 1-3yr UCITS ETF (IBGS) verzeichnete dagegen Abflüsse von 76,4 Mio. $.

Da die EZB für ihre nächste Ratssitzung im September weitere 50 Basispunkte Zinserhöhung erwartet, werden die Herausforderungen, die Inflation einzudämmen, gleichzeitig den steigenden politischen Risiken und einer drohenden Rezession Herr zu werden, den Notenbankern schlaflose Nächte bereiten.

Dieses Umfeld macht die Navigation auf den europäischen Anleihemärkten zu einer gefährlichen Herausforderung für jeden Investor.

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