Read this article in English?

It looks like your preferred language is English.
This article is available in English.

Peter Sleep halo
ETF Buyers Club
Analysen

Market Maker Pre-Hedging und seine Auswirkungen auf Best Execution

Investoren müssen Kursbewegungen ab dem Zeitpunkt der RFQ-Anfrage prüfen.

Verfasst von:

Veröffentlichungsdatum

Lesezeit

4 mins

Artikel teilen

Wir leben in einer postmodernen Welt. Alte Gewissheiten werden hinterfragt. Das gilt offenbar auch für das Hedging an den Finanzmärkten. Viele erinnern sich an Hedging als Absicherung gegen Verluste. Eine Kursbewegung einer Anlage wurde durch die entgegengesetzte Bewegung einer anderen ausgeglichen. Vielleicht bin ich altmodisch, aber die Definition von Hedging scheint sich geändert zu haben.

2012 interpretierte das CIO-Büro von JP Morgan, der „London Whale“, Hedging neu. Das Institut verlor 6 Milliarden Dollar und musste hohe Strafen zahlen. JPM versuchte zunächst, den Verlust als „Sturm im Wasserglas“ abzutun. Doch dann wurden die Ausmaße klar. Die Absicherung entpuppte sich als reine Wette auf die Marktentwicklung.

Ähnlich postmodern wirkt das „Pre-Hedging“. Market Maker gehen eine Position in einem Wert ein, den sie noch nicht besitzen. Dies geschieht vor der Transaktion des Asset-Owners. Pre-Hedging kommt oft im ETF-Markt vor. Ein Fondsmanager sendet eine Anfrage (Request for Quote, RFQ) an mehrere Market Maker. Die Market Maker wissen nicht, ob sie den Auftrag erhalten. Aber der Fondsmanager gibt ihnen einen Hinweis. Sie gehen daraufhin eine Position im Markt ein, bevor der Kunde handelt.

Beim Pre-Hedging gibt es also kein Asset oder keine Verbindlichkeit. Es gibt nur Informationen über eine bevorstehende Kundentransaktion. Gewinnt der Market Maker den Handel, kann er den Pre-Hedging-Preis weitergeben. Oder er behält den Vorteil für sich. Als Asset-Owner mag das ärgerlich sein. Die Financial Markets Standards Board (FMSB) schreibt aber explizit: „Der Händler ist nicht verpflichtet, jeglichen finanziellen Vorteil aus Pre-Hedging direkt an den Kunden weiterzugeben.“

Wenn eine Weitergabe des finanziellen Vorteils nicht vorgeschrieben ist, sehe ich kaum einen Unterschied zum klassischen Frontrunning oder Marktmissbrauch. Vielleicht bin ich nicht der Einzige, der verwirrt ist. Denn Pre-Hedging scheint bei den Regulierungsbehörden keine hohe Priorität zu haben. Die European Securities and Markets Authority (ESMA) hat kürzlich eine diskussionslose Stellungnahme veröffentlicht. Ich kenne nur drei Fälle aus den letzten Jahrzehnten, in denen Regulierer gegen Market Maker wegen Pre-Hedging vorgingen. Jeweils einer aus Großbritannien, den USA und Australien.

Diese drei Fälle haben Gemeinsamkeiten. In jedem Fall waren die Asset-Owner groß und erfahren. Sie bemerkten nicht, dass sich der Markt gegen sie bewegte. Aber jemand anderes tat es und meldete es. Das deutet darauf hin, dass Investoren das Risiko von Pre-Hedging vielleicht nicht kennen. Und sie beobachten Kursbewegungen vor dem Handel nicht genau genug. Auffällig ist auch: In allen drei Fällen wurden die betreffenden Market Maker nicht wegen Pre-Hedging selbst, sondern wegen Nicht-Offenlegung ihrer möglichen Pre-Hedging-Aktivitäten bestraft.

Einige Market Maker sprachen mit mir. Sie sehen Pre-Hedging meist als legitime Praxis. Solange der Kunde profitiert und sie selbst etwas behalten können. Eine rühmliche Ausnahme ist Jane Street. Dieses Unternehmen sagt, Pre-Hedging von RFQs sollte erst erfolgen, nachdem ein Handel gewonnen wurde. Und das Risiko auf den Market Maker übergegangen ist. Dies scheint jedoch eine Minderheitsmeinung zu sein.

Ehrlich gesagt, hatte ich bis zu meiner Lektüre inETF Streamnoch nie von Pre-Hedging gehört. Und das, obwohl ich seit Jahrzehnten im Markt tätig bin. Ich habe mich erst kürzlich intensiver damit beschäftigt. Noch bin ich unschlüssig, ob die finanziellen Vorteile geteilt werden. Angesichts der Geschwindigkeit unserer heutigen algorithmischen Märkte wäre die Überwachung einer fairen Verteilung extrem schwierig. Ich kann gut verstehen, warum die Regulierungsbehörden bei diesem Thema zögern. Die Meinungen sind vielfältig. Und die regulatorischen Schwerpunkte in den USA und Großbritannien ändern sich schnell.

Ich erwähnte drei Fälle mit regulatorischem Vorgehen. Der Fall in Großbritannien wurde von der FSA, der Vorgängerbehörde der Financial Conduct Authority (FCA), eingeleitet. Er stammt aus dem Jahr 2004. Man könnte annehmen, dass die seitherige Untätigkeit der Regulierer auf der Annahme beruht, dass professionelle Fondsmanager auf sich selbst achten und die beste Ausführung (Best Execution) für ihre Kunden sicherstellen können.

Fondsmanager sind gesetzlich verpflichtet, die beste Ausführung sicherzustellen. Meine Erfahrung mit Best-Execution-Prüfungen zeigt jedoch, dass sie sich auf die Kurse zum Zeitpunkt der Ausführung konzentrieren. Angesichts der weiten Verbreitung von Pre-Hedging könnte es sinnvoller sein, die beste Ausführung ab dem Zeitpunkt der RFQ-Anfrage zu betrachten. Dies gilt insbesondere für größere Transaktionen oder Geschäfte in weniger liquiden Märkten.

Peter Sleep ist Investment Director bei Callanish Capital.

[i] Die FMSB ist keine gesetzliche Körperschaft. Siehe Spotlight Review Juli 2024.

[ii] Fairerweise muss man sagen, dass im australischen Fall der Asset-Owner einen externen Experten zur Überprüfung des Handels mit einem zinsbezogenen OTC-Swap beauftragte.

Siehehttps://www.esma.europa.eu/press-news/consultations/call-evidence-pre-hedging#responses

Treten Sie über 1.000 Investment-Profis bei und erhalten Sie uneingeschränkten Zugang zu unseren exklusiven Events.

Treten Sie unserer Community europäischer Profi-Anleger bei

Jetzt beitreten

Bereits Mitglied? Anmelden um fortzufahren.

In diesem Artikel vorgestellt

Logo for Jane StreetLogo for Financial Conduct AuthorityLogo for ESMALogo for JP MorganLogo for Callanish Capital

ETFs

Keine ETFs verfügbar.

THEMEN

Keine THEMEN verfügbar.

THEMENBEREICHE

Keine THEMENBEREICHE verfügbar.

VERWANDTE ARTIKEL