Ein zentrales Verkaufsargument der ETF-Branche (und des Index-Trackings generell) ist die Kostenreduktion für Anleger. Dieser Trend beschleunigte sich im vergangenen Jahr. Die Kosten vieler etablierter ETFs fielen deutlich unter 0,1 %. Fidelity führte im Sommer sogar kostenneutrale Indexfonds (als Investmentfonds, nicht als ETFs) ein.
Bei derart niedrigen Kosten rückt 2019 die interne Funktionsweise von ETFs und des Index-Trackings in den Fokus. Anbieter suchen neue Wettbewerbsvorteile. Dies ist für Anleger auf vielen Ebenen erfreulich. Doch es birgt auch Fallstricke. Hauptgrund ist die wachsende Beliebtheit des "Self-Indexing".
Was ist Self-Indexing?
Anleger, die einen Indexfonds kaufen, zielen meist auf einen bekannten Aktienmarktindex ab. In den USA ist dies oft der S&P 500, in Großbritannien ein FTSE-Index. Diese Indizes sind jedoch keine öffentlichen Güter. Sie werden von Institutionen wie Standard & Poor's oder FTSE Russell konstruiert und berechnet. Vermögensverwalter, die Produkte auf Basis dieser Indizes anbieten wollen, zahlen Lizenzgebühren.
Früher deckten die Verwaltungsgebühren diese Lizenzkosten problemlos. Doch der Preiswettbewerb im Passivbereich ist hart geworden. Die Lizenzkosten für Indizes machen einen immer größeren Teil der Kostenstruktur aus. Indexanbieter profitieren stark von ihrer Marktposition. Laut Ari I. Weinberg (Pensions & Investments) erzielte S&P Global im ersten Halbjahr 2018 eine operative Gewinnmarge von 67 % im Indexgeschäft.
Um die Kosten weiter zu senken und dennoch eine kleine Marge zu erzielen, müssen Fondsgesellschaften die Indexlizenzkosten reduzieren. Sie können versuchen, Indexanbieter zu Kostensenkungen zu bewegen. Eine andere Option ist die Eigenentwicklung von Indizes. Die Berechnung kann extern erfolgen. Die ursprüngliche Indexkonstruktion entfällt jedoch, ebenso die Lizenzgebühren. Dies nennt man Self-Indexing.
Self-Indexing ist bei spezialisierten ETF-Anbietern, etwa für Smart-Beta-Indizes, Standard. WisdomTree war hier ein Pionier. Nun breitet sich der Trend aus. Fidelity konnte seine kostenfreien Indexfonds teilweise durch Self-Indexing anbieten. Dieser Trend wird den Preiswettbewerb weiter anheizen.
Was bedeutet das für Sie?
Die entscheidende Frage: Machen wenige Basispunkte Kostenunterschied für den Durchschnittsanleger bei bereits günstigen und breit verfügbaren ETFs einen wesentlichen Unterschied? Für die Industrie gibt es Argumente: Berater in den USA sind gesetzlich verpflichtet, im besten Interesse ihrer Kunden zu handeln. Günstigste Fonds sind ein Nachweis dafür. Für Privatanleger birgt Self-Indexing auf dieser Ebene (abseits von "Value Factor"-Smart-Beta-Fonds) jedoch eher Verwirrung als Nutzen.
Beispiel: Sie möchten in US-Aktien investieren. Der Fidelity ZERO Total Market Index Fund bildet den Fidelity US Total Investable Market Index mit 2.500 Aktien ab. Der S&P Total Market Index umfasst 3.809 Aktien. Bis Ende Januar fiel der Fidelity-Index um 4,23 %. Der S&P-Index verlor 4,18 %. Ein geringer Unterschied. Dies verdeutlicht die Sinnlosigkeit, über wenige Basispunkte bei den Kosten zu streiten. Der Fidelity ZERO Total Market Index Fund verlor sogar 4,43 % – mehr als sein zugrundeliegender Index.
Es geht hier nicht darum, ob ein Index oder Fonds besser ist. Meine Aussage: Man kann sich in Details verlieren, welcher extrem günstige Fonds langfristig den besten Wert bietet. Bei bereits minimalen Kosten sind die Broker- oder Plattformgebühren für die meisten Privatanleger relevanter. Beim Fonds selbst werden viele wohl bei etablierten Anbietern bleiben. Sie werden kaum versuchen, Unterschiede zwischen Indizes herauszuarbeiten, die sich alle ähneln.
Der Preiskampf treibt Self-Indexing zwar an. Ich erwarte jedoch 2019 vermehrt Indizes mit ESG-Fokus. Ein einfacher Weg zur Differenzierung und PR (für Zyniker): Die Indexkonstruktion wird angepasst, um Umwelt- oder Sozialaspekte hervorzuheben.
Ein schwierigerer Weg mit langfristigem Potenzial: Passive Fonds agieren als echte Aktivisten. Sie übernehmen die Rolle von Eigentümern, nicht nur von Vermittlern. Sie begrenzen Managergehälter, fördern Investitionen statt Aktienrückkäufe und vertreten langfristige Aktionärsinteressen. Große ETF-Anbieter können sich so abheben.
Dies würde sie aktiver machen als viele "aktive" Fonds. Das wäre kein Nachteil.


