ETF-Investoren suchten vergangene Woche nach sicheren Häfen. US-Finanzministerin Janet Yellen hatte gewarnt, das Land könnte ab dem 1. Juni Zahlungen nicht mehr leisten, sollte die Schuldenobergrenze nicht angehoben werden.
Die 31,4 Billionen Dollar teure Obergrenze ist bereits erreicht. Yellen sagte, das Finanzministerium sei möglicherweise nur nochWochen vom Zahlungsausfall entfernt bei US-Staatsanleihen und könne auch keine Gehälter für Staatsbedienstete und Sozialversicherungszahlungen mehr leisten.
Ein solches Szenario wäre eine „verfassungsmäßige Krise“ und eine „ökonomische und finanzielle Katastrophe“, so Yellen weiter. Eddie Donmez, Analyst für globale Märkte bei Finimize, prognostiziert, ein Zahlungsausfall könnte das US-BIP um 10 % schmälern und bis zu acht Millionen Arbeitsplätze kosten.
Angesichts der nahenden kritischen Frist und fälliger kurzlaufender Anleihen stiegen die Renditen einmonatiger US-Staatsanleihen zwischen dem 21. April und 15. Mai um 233 Basispunkte (bps) auf 5,67 %. Gleichzeitig erreichten die Spreads für einjährige US-Kreditderivate – die die Ausfallwahrscheinlichkeit der USA widerspiegeln – den höchsten Stand seit 2011.

Quelle: 7IM
Europäische Investoren ließen sich von den erhöhten Renditen und niedrigen Kursen nicht zu Käufen verleiten. Sie zogen in der vergangenen Woche 138 Mio. $ aus dem iShares $ Treasury Bond 0-1yr UCITS ETF (IB01) und 102 Mio. $ aus dem Invesco US Treasury Bond UCITS ETF (TRES). Dies meldet ETFLogic. Letzterer investiert zu 33,9 % in Anleihen mit einer Restlaufzeit von unter drei Jahren.
Noch drastischer reagierten US-Investoren. Sie zogen im gleichen Zeitraum 1,8 Mrd. $ aus dem iShares Short Treasury Bond ETF (SHV) ab.
Auf der Gegenseite behauptete sich Gold angesichts der anhaltenden Unsicherheit nahe einem Allzeithoch bei 2.020 $ je Unze. Zwar sind Anleger sich des US-Ausfallrisikos bewusst. Wahrscheinlicher ist jedoch eine Anhebung der Schuldenobergrenze, was zu einer verstärkten Emission von US-Dollar-denominierten Schulden führen dürfte. Dies stärkt die Position von Gold als Wertaufbewahrungsmittel.
Der iShares Physical Gold ETC (IGLN) verzeichnete Zuflüsse von 498 Mio. $, der Invesco Physical Gold ETC (SGLD) sammelte 168 Mio. $ an Netto-Neugeldern.
Matthew Yeates, stellvertretender CIO bei 7IM, hält einen US-Schuldendefall für „sehr unwahrscheinlich“. Die politische Pattsituation zwischen Präsident Joe Biden und dem Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy könnte jedoch kurzfristig für Nervosität sorgen.
„Es ist so gut wie sicher, dass die Politiker die Dinge bis zur letzten Minute hinauszögern – und ehrlich gesagt wahrscheinlich auch darüber hinaus –, um Druck auszuüben.“
„Eines der Hauptprobleme ist, dass US-Staatsanleihen zu den am häufigsten gehaltenen Wertpapieren als Sicherheit für alle Arten von Finanztransaktionen gehören. Selbst wenn die Zahlungen letztendlich erfolgen, können geringfügige Verzögerungen das Finanzsystem schnell verstopfen. Selbst wenn sich die Dinge letztendlich lösen, könnten die kurzfristigen Schäden für die finanzielle Fragilität erheblich sein, insbesondere in einem bereits relativ dünnen Markt für Liquidität. Hoffen wir, dass die Politiker das verstehen!“
George Lagarias, Chefökonom bei Mazars, stimmt zu, rät aber angesichts der Ereignisse während COVID-19 zur Vorsicht bei der Einschätzung unwahrscheinlicher Szenarien.
„Wir glauben, dass die Risiken diesmal ausgeprägter sind und wir zumindest eine Wiederholung der Schuldenkrise von 2011 sehen könnten“, sagte er.
Seit 2013 wurde die US-Schuldengrenze siebenmal ausgesetzt. Die Ereignisse von 2011 beschrieb Yellen als „fiskalischen Abgrund“, der zur Herabstufung des Triple-A-Ratings der USA durch S&P Global führte.
Es bleibt abzuwarten, ob die Forderungen der Republikaner im Gesetzentwurf zur Schuldenobergrenze erfüllt werden – wie z.B. geringere Ausgaben für Studienkredite, Medicaid, Lebensmittelmarken und Steuergutschriften für erneuerbare Energien –, um die Schuldengrenze um weitere 1,5 Billionen Dollar zu erhöhen. Oder ob die Aussicht, für einen US-Zahlungsausfall verantwortlich gemacht zu werden, die Republikaner zum Einlenken zwingt.





