Vanguards Entscheidung, die Gebühren für sieben Anleihen-ETFs um zwei Basispunkte (bp) zu senken, war längst überfällig – und dringend notwendig.
Wie die folgende Grafik zeigt, die Jamie für ETF Ecosystem Unwrapped erstellt hat, haben wichtige Wettbewerber in den vergangenen Jahren kontinuierlich die Lücke bei der gewichteten Gesamtkostenquote (TER) geschlossen.
Grafik 1: Gewichtete durchschnittliche TER großer europäischer Emittenten, 2018 bis heute

Quelle: ETFBook
Tatsächlich wirkt Vanguard derzeit fast wie der einzige europäische Emittent, der sich der branchenweiten Gebührenkonvergenz widersetzt und sein durchschnittliches Kosteniveau leicht erhöht hat. Dies widerspricht auf den ersten Blick Aussagen von Sebastian Lewis, Senior-Stratege im Vanguard Advisory Research Centre, wie er in einem aktuellen Video-Interview bei ETF Stream sagte.

Natürlich ist dieser Screenshot ein eher unfairer „cheap shot“, nicht zuletzt, weil Vanguard das Interview gesponsert hat. Vielmehr sind mehrere Qualifikationen und Kontextpunkte nötig:
Erstens hat Vanguard die Gebühren für keinen seiner ETFs aktiv erhöht. Die gestiegene TER ist vielmehr ein Produkt von Mischungs- und Portfolioeffekten.
Ausgehend von hochgradig generischen Kernanlagen hat der Vermögensverwalter aus Pennsylvania sein Angebot schrittweise erweitert. Im Jahr 2021 etwa wurden zahlreiche ESG-ETFs eingeführt, die aufgrund der komplexeren Indexkonstruktionen naturgemäß teurer sind.
Zweitens ist die TER bei weitem nicht die einzige Kostenkomponente, die Anleger bei der Auswahl eines ETFs berücksichtigen müssen – ein Punkt, den der zweitgrößte Vermögensverwalter der Welt in diesem Jahr wiederholt lautstark betont hat.
Trotz der Konvergenz der Gebühren mit anderen Anbietern liegt eine durchschnittliche TER von rund 0,13 % weiterhin deutlich unter den großen Konkurrenten, die zwischen 0,18 % und 0,20 % liegen, obwohl Amundi und UBS mit der Einführung ihrer „Kern“-Produktreihen nachgelegt haben.
Betrachtet man einzelne ETFs, erscheinen Vanguards europäische Produkte jedoch überraschend teuer. So rangierte etwa der globale Aggregat-ETF vor der Senkung um 2 bp mit 0,08 % TER nur im Mittelfeld; nach der Reduzierung liegt er im oberen Bereich, während HSBC mit 0,05 % weiterhin führend ist.
Beim 6-Mrd.-USD-Vanguard EUR Corporate Bond UCITS ETF (VECP) entspricht die Senkung der TER derjenigen von Amundi, unterbietet sie jedoch nicht.
Bei den Aktien-ETFs setzt sich dieser Trend fort: Mit 0,07 % TER bieten Invesco, State Street, Amundi und UBS günstigere S&P-500-ETFs an. Vanguards US-Pendant, der weltgrößte ETF, bleibt hingegen der günstigste in dieser Region. BlackRock und HSBC offerieren in Europa wiederum kostengünstigere FTSE-100-Produkte.
Bei so generischen Bausteinen gehen die meisten Anleger davon aus, dass Vanguard nahe am, wenn nicht sogar der günstigste Anbieter sein muss – vielleicht wegen des Mythos um Gründer Jack Bogle, der legendären Unternehmensstruktur oder dem Ruf des US-Geschäfts.
Obwohl dieser Artikel keine umfassende Wettbewerbsanalyse darstellt, zeigt sich: Der Nimbus Vanguards als günstigster Anbieter ist zumindest im europäischen ETF-Markt nicht uneingeschränkt gerechtfertigt.
Fazit: Angesichts der branchenweit sinkenden Gebühren wirkte Vanguards Position auf Basis einzelner Produkte zunehmend unwettbewerbsfähig. Um seinen Ruf als ultra-kostengünstiger Anbieter zu wahren, könnten weitere Senkungen bei den Aktien-ETFs erforderlich sein.



