Der durchschnittliche Anleger wird sich unter Pre-Hedging nur wenig vorstellen können. Doch selbst erfahrene Führungskräfte in den Handelsabteilungen großer Vermögensverwalter kennen diese Praxis kaum – obwohl sie erhebliche Interessenkonflikte zwischen Investoren und Market Makern schaffen kann.
Eine aktuelle Umfrage unter leitenden Händlern von 34 europäischen Asset Managern zeigt: 29 % gaben an, mit Pre-Hedging „gar nicht“ oder „kaum vertraut“ zu sein. Nur 4 % der Befragten sagten, sie wüssten mit Sicherheit, wann ein Market Maker eine Transaktion vorab absichert.
Kurz erklärt: Beim Pre-Hedging erfährt ein Market Maker im Voraus von der Handelsabsicht eines Kunden und tätigt daraufhin zunächst eigene Geschäfte, die den Preis der anschließenden Kundenorder zu dessen Nachteil beeinflussen können. Für Laien klingt das nach Front Running – und das ist illegal. Pre-Hedging bewegt sich jedoch in einer rechtlichen Grauzone. Einheitliche internationale Standards fehlen bislang. EU-Regeln erlauben Pre-Hedging, sofern es „zumindest teilweise“ im Interesse des Kunden geschieht – eine Formulierung, die Market Makern viel Interpretationsspielraum lässt.
Wachsende Kritik an Pre-Hedging über RFQ-Plattformen
Besonders bei ETF-Orders über sogenannte Request-for-Quote-Plattformen (RFQ) wächst die Kritik. Schätzungen zufolge laufen inzwischen bis zu 70 % des europäischen ETF-Handels über diese Systeme. Dabei scheinen Endanleger häufig den Kürzeren zu ziehen: Market Maker und andere hochspezialisierte Liquiditätsanbieter nutzen Informationsvorsprünge aus, um auf RFQ-Plattformen und an klassischen Börsenplätzen Kurse zu stellen, die nicht immer im Sinne der Investoren sind.
Die jüngsten Vorwürfe stammen aus einer Studie der Beratungsfirma Acuiti, die im Auftrag von Susquehanna erstellt wurde – einem der wichtigsten Market Maker im europäischen ETF-Ökosystem. Bemerkenswert ist dabei, dass Susquehanna, sonst für seine Verschwiegenheit bekannt, den Finger so deutlich in die Wunde legt.
Konkurrenten unterstellen dem Haus, es wolle auf das Thema aufmerksam machen, weil es im ETF-Handel gegenüber Rivalen mit moderneren Systemen und größeren Teams Marktanteile verliert. Doch die Botschaft von Susquehanna ist klar: Pre-Hedging gefährdet die Marktintegrität und kann Anlegern schaden – ein Punkt, den Aufseher genau hören werden.
Regulatoren nehmen das Thema ins Visier
Die internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO sammelt derzeit Feedback zu Pre-Hedging und will bis Jahresende Empfehlungen vorlegen. IOSCO strebt in der Regel global einheitliche Standards an. Das gibt ein Signal, dass auch europäische Aufseher schneller handeln und mehr Transparenz fordern könnten.
Nur 11 % der von Acuiti befragten Händler glauben, dass eine vorherige Offenlegung von Pre-Hedging die Marktintegrität gefährden würde. 59 % plädieren sogar dafür, dass Market Maker bei jeder Transaktion offenlegen sollten, ob sie Pre-Hedging betreiben.
Transparenz gilt seit jeher als einer der größten Pluspunkte von ETFs. Mehr Offenheit im ETF-Handel sollte daher auch für Aufsichtsbehörden in Europa ein zentrales Anliegen sein – insbesondere, wenn man den Handel stärker auf klassische Börsenplätze lenken will, wo strengere Veröffentlichungspflichten gelten, statt auf RFQ-Plattformen.
Mehr Transparenz als Schlüssel zum Vertrauen
Mehr Transparenz im ETF-Handel würde nicht nur Anlegern, sondern auch der Politik Vertrauen geben. Schließlich gilt die breitere Nutzung kostengünstiger Indexfonds – inklusive ETFs – als entscheidend, um in der EU und in Großbritannien mehr Bürger für das Investieren zu gewinnen.
Weder Aufseher noch Politiker dürften wollen, dass das Thema Pre-Hedging eines Tages doch an Bekanntheit gewinnt – und zwar wegen negativer Schlagzeilen.




