Die europäische ETF-Branche hat Grund zum Feiern. Sie übertraf die bisherige Jahresbilanz bei weitem. Nun stellt sich die Frage: Können die nächsten Wachstumstreiber das erwartete exponentielle Wachstum liefern? Wer profitiert davon?
Laut Morningstar verbuchten europäische Exchange Traded Products (ETPs) in den ersten drei Quartalen Zuflüsse von 161 Milliarden Euro. Damit wurde der Rekord von 159 Milliarden Euro aus dem Jahr 2021 übertroffen. Das dritte Quartal war ebenfalls ein Rekordquartal. Es flossen 63 Milliarden Euro in europäische ETPs.
„Die verwalteten Vermögen überschritten erstmals die Marke von 2 Billionen Euro“, sagt Jose Garcia-Zarate. Er ist Associate Director für passive Strategien bei Morningstar. „Da noch ein Quartal aussteht, wird 2024 ein neues Rekordjahr für die europäische ETF-Industrie.“
Henry Jim, ETF-Analyst bei Bloomberg Intelligence, stimmt zu. „Mit drei Monaten Vorsprung und ohne größere Abflüsse sollten wir ein Rekordjahr sehen. Erstmals werden die Zuflüsse 200 Milliarden Euro übersteigen.“
Erwartete Wachstumstreiber
Europäische ETFs verzeichnen weiterhin hohe Zuflüsse. Dies gilt für kostengünstige breite Aktien-ETFs und ein wachsendes Angebot an Anleiheprodukten. Der Einfluss trendiger Produktklassen ist jedoch zu beachten. Sie können kurzfristig als Wachstumstreiber dienen.
Früher war Smart Beta ein Trend. Dann dominierten ESG-ETFs 2021 das Nettovermögenswachstum. Nun gelten aktive ETFs als das nächste große Ding.
Es gibt bereits überzeugende Anzeichen. Das Segment verzeichnete im dritten Quartal Zuflüsse von 4,8 Milliarden Euro. Das entspricht 7,7 % aller Zuflüsse im Quartal. Dieser Anteil entfällt auf eine Produktklasse, die nur 2,2 % der ETF-Assets in Europa ausmacht (Quelle: Morningstar).
Es gab nicht nur mehr ETF-Neuemissionen. Auch neue Anbieter drängen auf den Markt. Europäische Fondsmanager und US-ETF-Anbieter wie Robeco und American Century sehen aktive ETFs als Markteintritt. Wie bei jeder Produktinnovation wird die Zeit mehr Klarheit bringen.
Werden Anleger die „Index-Plus“-ETFs mit geringem aktiven Anteil weiterhin spannend finden? Diese dominierten bisher die Zuflüsse. Können die unbeliebten ETFs mit hohem aktiven Anteil, wie die von ARK Invest, Skeptiker überzeugen? Werden neue Anbieter, insbesondere US-Anbieter, die ETF-Distribution in Europa meistern? Wie hoch ist der Anteil organischer Zuflüsse in ETFs von Anbietern mit entsprechenden Publikumsfonds-Angeboten? Oder handelt es sich um interne Umschichtungen von Kundengeldern?
Ein Wort zur erwarteten Zunahme von ETF-Investitionen durch Privatanleger in Europa. Dies ist teilweise bereits eingetreten. Ende 2023 hielten europäische Privatanleger ETF-Vermögen von rund 200 Milliarden Euro (Quelle: BlackRock). Das entsprach damals etwa 12 % des Marktes.
Dies liegt zwar deutlich unter dem Anteil von rund 50 % im US-Markt. Ein schneller Anstieg der Akzeptanz durch diese Anlegergruppe in Europa ist aber nicht garantiert.
ETF-Sparpläne, kostenlose und günstige Handelsplattformen, die bisher die Haupttreiber waren, stehen nun vor Herausforderungen.Sie sehen sich der geplanten Änderung gegenüber, das Payment for Order Flow (PFOF) zu verbieten.Dies könnte Neo-Broker zwingen, ihr Geschäftsmodell anzupassen und Beratungsgebühren einzuführen.
Der eigenverantwortliche Vermögensaufbau für die Rente ist in den USA verbreiteter als in den meisten europäischen Ländern. Solche kulturellen Veränderungen brauchen Jahre.
Eine Welle für alle Boote?
Sollten sich die genannten und andere Wachstumstreiber entwickeln, stellt sich für die Branche die nächste Frage: Welche Vermögensverwalter werden davon profitieren?
Einige Kommentatoren befürchten, dass Innovationen nur den Wettbewerbsvorteil der bereits dominanten Akteure stärken.
Diese Sorge ist berechtigt. BlackRock kontrollierte Ende Q1 43 % aller ETF-Vermögen in Europa. Im folgenden Quartal kamen 45,7 Milliarden Euro hinzu. Die Zuflüsse im dritten Quartal waren dreimal so hoch wie die des zweitplatzierten Amundi.
BlackRock reagiert auf die genannten Wachstumstreiber.Das Unternehmen hat 2024 bereits sieben aktive Aktien-ETFs aufgelegt.Zudem ist BlackRock Miteigentümer des Neo-Brokers Scalable Capital, einem Vorreiter bei ETF-Sparplänen.
Schlusswort
Insgesamt sind die Aussichten für den europäischen ETF-Markt vielversprechend. Die Marktteilnehmer sollten jedoch über die Schlagzeilen hinausblicken. Sie sollten die Katalysatoren für die weitere ETF-Adoption realistisch einschätzen. Es gilt zu prüfen, ob diese zu einem wettbewerbsfähigen Markt führen, von dem die Endanleger profitieren.







