Was genau ein Investment „Thema“ darstellt, gehört zu den größten Grauzonen der ETF-Industrie. Ab wann wird eine aufkommende Idee zu einem Thema? Und wann wird ein Thema, das über Jahre Bestand hat, schlicht zur Normalität?
In einer aktuellen Studie mit dem Titel „Thematic Investing: A Risk-based Perspective“, schlagen ein Team von Akademikern und BlackRock-Forschern – darunter Ronald Kahn von„Grinold and Kahn" – eine neue Definition für „thematisches Investieren“ vor. Sie konzentriert sich auf temporäre Korrelationen zwischen ansonsten idiosynkratischen Aktienrenditen.
Dieser Ansatz, so die Autoren, könne Investoren helfen, zu erkennen, was eine überzeugende thematische Gelegenheit ausmacht – und welche ETFs den Test der „Themenreinheit“ nicht bestehen.
Frühe Definitionen
Die frühesten Definitionen eines Investment-„Themas“, ein Bereich, der während derCovid-19-Pandemie richtig Fahrt aufnahm, konzentrierten sich auf strukturelle Veränderungen der Welt, in der wir leben.
Die ersten Definitionen eines Investment-„Themas“ – ein Bereich, der während der Covid-19-Pandemie starken Auftrieb erhielt – konzentrierten sich auf strukturelle Veränderungen der Weltwirtschaft.
Im Jahr 2022 charakterisierten Somefun et al. Themen als „strukturelle Trends, die voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf Volkswirtschaften haben und Geschäftsmodelle neu definieren … [etwas], das als zusätzliche Dimension in Portfolios betrachtet werden kann.“
Morningstars Choy et al. wählten eine ähnliche Definition, fügten aber hinzu, dass Ausschlüsse für „Fonds gelten sollten, die entweder Standard-Branchen-, Branchen- oder Teilbranchenindizes abbilden oder traditionellen Branchenfonds sehr ähnlich sind.“
Dies war in diesem Jahr ein großes Gesprächsthema im Hinblick auf Europas wichtigstes „Thema“ – die Verteidigung. Während Verteidigungs-ETFs in diesem Jahr Milliarden an Vermögenswerten anzogen, stufte der DatenanbieterETFBook sie – zu Recht oder zu Unrecht – als thematisch und nicht als sektorbezogen neu ein.
Thematisches Investieren ist auch mit dem Bereich der „Narrative“ verbunden. Es gibt eine Reihe von Literatur, siehe Bhargava et al. [2023], die zeigt, dass vereinfachte und griffige Wörter und Phrasen, die in den Medien vorherrschen – schuldig! – das Verhalten von Anlegern beeinflussen und die Märkte beeinflussen können.
Eine neue Perspektive
Kahn und seine Mitautoren wählen einen anderen Zugang: Sie definieren Themen mithilfe eines statistischen Rahmens.
Ihr Modell beschreibt ein Thema als enge und vorübergehende Quelle von Renditevariation – als temporäre Korrelation zwischen ansonsten unabhängigen Aktien.
Doch worin liegt der Unterschied zu Faktoren? Die Antwort: in der Zeitdauer.
„Ohne zu präzise zu werden: Faktoren erklären Querschnittsrenditen über Jahre und Jahrzehnte, während Themen Querschnittsrenditen über Wochen und Monate erklären“, schreiben die Autoren.
Zudem lassen sich Faktoren wie Value, Momentum, Größe oder Qualität auf eine breite Unternehmensbasis anwenden – Themen hingegen sind meist auf kleine Segmente des Anlageuniversums beschränkt.
Praktische Implikationen
Die Forscher wenden ihren Rahmen auf thematische Aktienkörbe von Goldman Sachs an – ihre Erkenntnisse sind jedoch ebenso relevant für Europas thematische ETF-Landschaft.
Zur Analyse werden jene Aktienbewegungen herausgefiltert, die sich durch Markt- oder Stilfaktoren erklären lassen. Übrig bleiben die sogenannten Residuen – also die idiosynkratischen Renditen. Anschließend messen die Autoren die durchschnittliche Korrelation dieser Residuen innerhalb eines Themenkorbs. Je enger diese Korrelation, desto „reiner“ das Thema.
Wichtig ist dabei: „Überzeugend“ bedeutet hier nicht „vielversprechend“, sondern beschreibt die Reinheit des thematischen Exposures. Kurz gesagt: Bekommen Anleger tatsächlich das Thema, für das sie bezahlen – im Guten wie im Schlechten?
Diese Frage wird zunehmend relevant, da ETF-Anbieter ihr thematisches Angebot in Europa weiter ausbauen – möglicherweise bis zur Sättigung.
Im März stellte sich etwa ETF Stream die Frage, ob Quantencomputing reif genug sei, um ein tragfähiges ETF-Thema zu bilden. Das Fazit lautete: noch nicht. VanEck schien das anders zu sehen und brachte nur zwei Monate später einen Quantencomputing-ETF auf den Markt. Offenbar verpassten auch WisdomTree und Allfunds die gleiche Nachricht.
Es wäre spannend, Kahns Analyse auf VanEcks Quantencomputing-ETF anzuwenden – vielleicht ein Projekt für die Mitglieder des „Buyer’s Club“. Doch angesichts der Tatsache, dass Bank of America zu den zehn größten Positionen zählt, dürfte das Ergebnis ernüchternd ausfallen. Und es gäbe wohl noch einige andere ETFs, die in diesem Rahmen ins Wanken geraten würden.
Auf jeden Fall ein Denkanstoß – spätestens dann, wenn Sie das nächste Mal darüber nachdenken, einen Themen-ETF in Ihr Portfolio aufzunehmen.





