Traditionell galt ein Fonds, der einen Index nachbildet, als „passiv“. Ein Fonds, der einen Index schlagen will, war „aktiv“. Heutige Indizes sind jedoch so eng und ausgefeilt, dass diese Definition nicht mehr passt.
Historisch ist sie jedoch nachvollziehbar. Die Wurzeln des passiven Investierens lassen sich – wohlbegründet – auf einige junge und ambitionierte Finanzjournalisten zurückführen, ähnlich denen, die heute für ETF Stream berichten.
1882 gründeten Charles Dow und sein Partner Edward Davis Jones ihr gleichnamiges Finanznachrichtenbüro Dow, Jones & Company. Ein Jahr später, im November 1883, begann die Firma, das „Customer’s Afternoon Letter“ zu versenden – eine zweiseitige Zusammenfassung der täglichen Finanznachrichten.
Enthalten war darin der „Dow Jones stock average“ – ein Index mit elf Aktien, der Anlegern die Marktperformance anzeigen sollte. So entstanden Aktienindizes.
Ihr Wachstum war stetig, wenn auch unspektakulär. Erst ein Jahrzehnt später, 1896, wurde der kursgewichtete Dow Jones Industrial Average erstmals berechnet.
1923 legte Standard & Poor’s den S&P 90 auf, einen wertgewichteten Index aus 90 Aktien. 1935 entstand der gleichgewichtete FT 30, 50 Jahre bevor er vom FTSE 100 abgelöst wurde.
Erst in den 1970er-Jahren kam jemand auf die Idee, diese Performance nachzubilden. Der erste Indexfonds wurde 1971 von William Fouse und John McQouwn von Wells Fargo gegründet. Ihr Konzept nutzte 1976 Jack Bogle mit Vanguard – heute ein Gigant des passiven Investierens mit 9,3 Billionen Dollar.
Damals umfassten Aktienindizes natürlich nur den breiten Markt. Alle passiven Fonds waren daher sehr einfach gestrickt. Aktive Fonds versuchten hingegen durch gezielte Aktienauswahl, diese Indizes und – wichtiger noch – ihre Wettbewerber zu übertreffen.
Die Unterscheidung zwischen aktiv und passiv war daher klar und unstrittig.
In den 1980er-Jahren tauchten jedoch Indizes mit spezifischeren Schwerpunkten auf, wie der Russell 2000. Vierzig Jahre später sind viele heutige Indizes hochgradig individualisiert, extrem ausgefeilt und sehr eng fokussiert.
So berichtete ETF Stream kürzlich über einen „passiven“ ETF von Goldman Sachs Asset Management (GSAM), der versucht, durch die Ansteuerung des steilsten Teils der britischen Anleihekurve (Gilt Curve) zusätzliche Renditen zu erzielen – ähnlich wie ein aktiver Manager. Da dies innerhalb des zugrundeliegenden Index regelbasiert geschieht, gilt der ETF als passiv.
Ein anderer Artikel stellte ebenfalls in Frage, wie sich „aktive“ ETFs mit geringem Tracking Error und analytischer Aufwertung von „Smart Beta“-ETFs unterscheiden, die generell als „passiv“ gelten.
„Research-enhanced“ ETFs sind aktiv, da sie versuchen, einen konventionellen Benchmark mithilfe proprietären Wissens (IP), das niemand sonst hat, zu schlagen. Ihre Renditen ähneln jedoch eher einer konventionellen Benchmark als jedem „passiven“ Produkt, das einen ausgefallenen Index abbildet. Dieses IP könnte natürlich auch zur Konstruktion eines Index verwendet werden, der dann von einem „passiven“ ETF abgebildet werden kann.
Kurz gesagt: Die Grenzen sind so verschwommen, dass sie nicht mehr praktikabel sind. Es ist Zeit, sie neu zu ziehen.
Aber wo?
Insgesamt stammt die überzeugendste Klassifizierung von „aktiv“ versus „passiv“ von einem Team bei State Street Global Advisors (SSGA).
In einer aktuellen Studie schrieben sie, dass nur „das theoretische Marktportfolio rein passiv ist. In der Praxis können nur Indexportfolios, die breite, marktwertegewichtete Indizes abbilden – „passiv-nah“ – als passives Investieren betrachtet werden. Alles andere ist aktiv.“
Das ist sinnvoll. Wenn Anleger die Renditen des breiten Marktes nutzen wollen, sollten die dafür verwendeten ETFs als „passiv“ gelten. Jeder andere ETF sollte als „aktiv“ neu etikettiert werden.
In den USA können beispielsweise ETFs, die den S&P 500 und den MSCI USA Index nachbilden, als „passiv“ gelten. Diese Indizes machen laut Anbietern 80 % bzw. 85 % des Wertes des gesamten US-Aktienmarktes aus. Sie werden weithin als investierbare Alternativen zum Gesamtmarkt genutzt.
Indizes mit anderen Methodologien oder engeren Universen sollten jedoch als „aktiv“ betrachtet werden, da Anleger hier ein anderes Renditeprofil als das des breiten Marktes suchen.
Nicht jeder stimmt zu. Einerseits wurde bezweifelt, ob breite, wertgewichtete Indizes wirklich „passive“ Anlageinstrumente sind.
Auf einer ETF Stream Veranstaltung sagte Paul Dennis, Investment Director bei Holden and Partners: „Ich war nie ein Fan der Debatte aktiv gegen passiv. Sobald man aus Barmitteln aussteigt, trifft man eine „aktive“ Entscheidung zu investieren.“
Die Gewichtungen in wertgewichteten Indizes können auch sehr konzentriert sein. Ist es richtig, dass „passive“ Renditen weitgehend vom Schicksal einer kleinen Handvoll Aktien abhängen?
Am anderen Ende des Spektrums argumentieren einige, dass nur ETFs mit hohem „Active Share“ und konzentriertem Portfolio wirklich „aktiv“ sind, von denen es in Europa noch sehr wenige gibt.
Der „Active Share“ könnte theoretisch zur Klassifizierung von ETFs als aktiv oder passiv dienen. Aber gegenüber welchem Index misst man ihn und wo zieht man die Grenze?
Die Datenanbieter halten – vielleicht aus historischen Gründen, vielleicht aus Einfachheit – an der traditionellen Definition von passiv als Indexabbildung fest. Nach diesem Maßstab machen aktive ETFs etwa 2 % der europäischen ETF-Assets aus und vereinnahmen rund 8 % der Zuflüsse.
Die Debatte ist natürlich philosophisch. Aber die Klassifizierung von ETFs als aktiv oder passiv ist wichtig. Wir brauchen nicht nur eine Möglichkeit, Zuflüsse und Vermögenswerte zu messen, sondern Emittenten nutzen die Begriffe routinemäßig in ihren Marketingstrategien.
Es gibt ehrlich gesagt keine perfekte Methode, ETFs als „passiv“ oder „aktiv“ zu klassifizieren. Wir sollten uns daher für die am wenigsten fehlerhafte Definition entscheiden.
ETFs, die etwas anderes tun, als breite wertgewichtete Indizes abzubilden, sollten als „aktiv“ neu etikettiert werden.

