Einleitung
Die EU-Richtlinie für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW oder englisch UCITS) ist ein europaweit anerkanntes Regelwerk, das seit 1985 den Rahmen für Fonds und ETFs setzt. Anbieter, die ihre Produkte nach OGAW-Standards strukturieren, verpflichten sich zu klaren Mindestanforderungen – und können diese Produkte dadurch einem breiten Anlegerpublikum zugänglich machen.
Kern der Vorschriften sind klare Regeln für Risiko- und Fondsmanagement: etwa Diversifizierungspflichten, Transparenzstandards sowie der Schutz der Anleger vor irreführenden Informationen oder Betrug. Auch Broker unterliegen der Pflicht, stets die bestmögliche Ausführung („Best Execution“) für ihre Kunden sicherzustellen.
Die erste OGAW-Richtlinie trat am 20. Dezember 1985 in Kraft. Ihr Ziel: Fonds und ETFs sollten nach einmaliger Zulassung in einem Mitgliedsstaat im gesamten Binnenmarkt vertrieben werden können.
Während OGAW II nie umgesetzt wurde, brachte OGAW III im Jahr 2002 wichtige Neuerungen, darunter die Zulassung komplexerer Anlagestrategien mit Derivaten.
OGAW IV legte 2009 den Fokus auf den grenzüberschreitenden Vertrieb und führte unter anderem Master-Feeder-Strukturen sowie den „Europäischen Pass“ für Verwaltungsgesellschaften ein.
OGAW V vereinheitlichte 2014 die Vorschriften für die Aufgaben von Verwahrstellen, die Vergütungspolitik und Sanktionen. Zudem wurde die Einführung der Wesentlichen Anlegerinformationen (wAI), auch als KIID bekannt, für alle OGAW-Produkte verpflichtend.
OGAW VI griff schließlich Themen wie Liquiditätsmanagement und aufsichtsrechtliche Berichterstattung auf. Zukünftig könnte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zudem die Liste der für OGAW-Produkte zulässigen Anlageklassen überarbeiten.
Was bedeutet OGAW für ETFs?
Fast vier Jahrzehnte Regulierung haben OGAW-ETFs zu Anlagevehikeln gemacht, die europaweit als diversifiziert, transparent und liquide gelten.
Diversifizierung
Das Herzstück bildet die 5/10/40-Regel: Ein Fonds darf maximal 10 % seines Vermögens in Wertpapiere eines einzelnen Emittenten investieren. Dabei darf die Summe aller Positionen, die jeweils mehr als 5 % ausmachen, höchstens 40 % des Fondsvermögens ausmachen.
Für indexabbildende OGAW-Fonds gilt die 20/35-Regel. Sie dürfen bis zu 20 % ihres Vermögens in Wertpapiere eines Emittenten anlegen – unter außergewöhnlichen Marktbedingungen sogar bis zu 35 %. Indexabbildende OGAW-ETFs mit Sitz in Irland müssen zudem eine „adäquate Benchmark“ nutzen, die den Zielmarkt realistisch abbildet.
Transparenz
Transparenz wird durch Pflichtveröffentlichungen wie die Wesentlichen Anlegerinformationen (wAI/KIID) sichergestellt. Indexbasierte OGAW-ETFs benötigen darüber hinaus einen vereinfachten Verkaufsprospekt, der klare Informationen über die Indexkomponenten, die Replikationsmethode, den erwarteten Tracking Error und mögliche Einflussfaktoren enthalten muss. Aktive ETFs müssen explizit darauf hinweisen, dass sie keinen Index abbilden und ihre Anlagestrategie erläutern.
Liquidität
Auch die Liquidität ist streng reguliert: Die Vermögenswerte müssen getrennt von der Fondsgesellschaft bei einer unabhängigen Verwahrstelle liegen. Zudem dürfen ETFs nur Indizes physisch replizieren, die aus zulässigen Vermögenswerten bestehen. Indizes, die Rohstoffe oder andere nicht zulässige Anlagen enthalten, können lediglich über einen diversifizierten Derivatekorb abgebildet werden.
Fazit
Der OGAW-Standard hat entscheidend dazu beigetragen, europäische Fonds als glaubwürdige und zugängliche Anlageinstrumente zu etablieren. Heute sind sie nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und Lateinamerika beliebt.
OGAW-Fonds und -ETFs machen heute rund 75 % aller kollektiven Kapitalanlagen von Kleinanlegern in Europa aus. Die britische Regierung arbeitet daran, das Regelwerk auch nach dem Brexit in Großbritannien beizubehalten.
Wichtigste Erkenntnisse
Die OGAW-Regulierung stellt sicher, dass OGAW-ETFs diversifiziert (5/10/40-Regel), transparent (wAI/KIID, Prospekt) und liquide (getrennte Verwahrung) sind.
Für indexabbildende OGAW-ETFs gelten Transparenzpflichten wie die Verwendung einer adäquaten Benchmark und die Angabe des Tracking Error. Aktive OGAW-ETFs müssen ihre Anlagestrategie klar darlegen.
Aufgrund ihrer hohen Standards und Zugänglichkeit machen OGAW-Fonds und -ETFs 75 % der kollektiven Kapitalanlagen von Kleinanlegern in Europa aus.

