Transparenz galt lange als Markenzeichen von ETFs. Doch mit dem Aufstieg aktiv gemanagter Fonds in ETF-Hülle vollzieht sich in Europa ein bemerkenswerter Kurswechsel. Die Aufsichtsbehörden der großen Fondsstandorte wetteifern um Marktanteile in dieser wachsenden Produktklasse – und zeigen dabei zunehmend Flexibilität.
Während semi-transparente ETFs, deren Portfolios nicht täglich offengelegt werden, in den USA bereits seit Jahren zugelassen sind, blieb der Erfolg dort bislang überschaubar. Trotzdem führten Vermögensverwalter einen intensiven Dialog mit europäischen Regulierern, um sie von den Vorteilen weniger transparenter Strukturen zu überzeugen.
In den USA zwingen steuerliche Vorteile viele Anbieter förmlich dazu, ETFs anzubieten. In Europa fehlt ein solcher Anreiz. Aktive Fondsmanager schrecken hier häufig davor zurück, ihr Anlagemodell durch tägliche Offenlegung offenzulegen. Die Lockerungen der europäischen Behörden sollen genau diesen Managern den Schritt in den ETF-Markt erleichtern – und damit die Attraktivität des jeweiligen Fondsstandorts stärken.
Frankreich und Luxemburg – die Vorreiter (2024)
Im Juli 2024 setzte die französische Finanzaufsicht AMF einen wichtigen Präzedenzfall: Emittenten dürfen die Bestände ihrer aktiven ETFs künftig „mindestens einmal im Monat mit einer Verzögerung von höchstens einem Monat“ veröffentlichen. Damit soll verhindert werden, dass Wettbewerber die Strategien eines Fondsmanagers per „Reverse Engineering“ nachbilden. Im Dezember 2024 zog die luxemburgische CSSF mit einem ähnlichen Modell nach.
Irland (2025)
Als größtes europäisches ETF-Domizil passte Irland kurz darauf seine Regulierung an. Die irische Zentralbank (CBI) schuf im April 2025 den bislang flexibelsten Rahmen für semi-transparente ETFs in Europa. Anders als ihre kontinentaleuropäischen Pendants erlaubt sie, Portfolios erst zum Quartalsende und innerhalb von 30 Werktagen danach offenzulegen. Bemerkenswert ist, dass die neuen Vorgaben sowohl aktive als auch passive ETFs betreffen.
Gewährleistung effizienter Arbitrage
In einem Punkt jedoch herrscht Einigkeit unter Europas Aufsichtsbehörden – und ein klarer Unterschied zu den USA: Zwar dürfen Emittenten die öffentliche Offenlegung ihrer Bestände verzögern, gegenüber Market Makern und autorisierten Teilnehmern (APs) bleibt Transparenz Pflicht.
Diese Vorgabe soll sicherstellen, dass Preisbildung und Arbitrageprozesse weiterhin effizient funktionieren. Nur wenn Liquiditätsanbieter Zugang zu den relevanten Portfoliodaten haben, können sie faire Kurse stellen – was wiederum enge Spreads, stabile Auf- und Abschläge sowie eine verlässliche Liquidität garantiert. So verlangen die AMF und die CSSF eine tägliche Offenlegung der vollständigen Bestände an APs und Market Maker, während die CBI lediglich die Weitergabe „angemessener Informationen“ vorschreibt.
Wichtigste Erkenntnisse
In den USA sammelten semi-transparente ETFs in ihren ersten fünf Jahren lediglich rund 14 Milliarden US-Dollar ein.
Die irische Aufsichtsbehörde verfolgt in Europa den flexibelsten Offenlegungsansatz und erlaubt die Veröffentlichung nur quartalsweise.
Trotz gelockerter Regeln müssen europäische ETFs ihre Bestände regelmäßig an Market Maker und APs weitergeben, um eine effiziente Preisbildung sicherzustellen.

