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Startschuss im Wettlauf um neue EU-Spar- und Anlagekonten

Millionen von EU-Bürgern profitieren von Steuererleichterungen für Investitionen im Rahmen eines neuen EU-Plans

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Letzte Woche war eine deutliche Beschleunigung des ohnehin rasanten Wandels im europäischen ETF-Markt spürbar. Führende Wettbewerber machten aufsehenerregende Ankündigungen, und EU-Politiker veröffentlichten einen ambitionierten Plan, der potenziell lukrative neue Ertragsströme für Vermögensverwalter erschließen könnte.

Steuerbegünstigte individuelle Sparkonten sind in Großbritannien bei Privatanlegern bereits beliebt. Brüssel drängt nun auf ähnliche Anreize in der gesamten EU.

Die Demokratisierung des Investments – also einfacher und zugänglicher Investieren für alle EU-Bürger – hätte schon vor Jahren Priorität werden müssen. Der neue Entwurf für Spar- und Anlagekonten (SIAs) bietet längst überfällige Steuererleichterungen für Investitionen in Aktien, Anleihen und Fonds.

Die Überzeugung von bislang risikoscheuen Sparern ist jedoch keine leichte Aufgabe. Sie sollen erhebliche Teile der 10 Billionen Euro an Bankeinlagen abziehen, deren Wert durch Inflation schwindet. Doch der potenzielle Ertrag ist enorm: Die EU-Kommission geht davon aus, dass die zusätzlichen Investitionsströme in den kommenden zehn Jahren bis zu 1,94 Billionen Euro erreichen könnten, sofern die SIAs das Verhalten der Privatanleger tatsächlich änder

Die hohen Erwartungen an die SIAs erinnern an das erste europaweite private Altersvorsorgeprodukt (PEPP), das im März 2022 gestartet wurde. Das PEPP blieb jedoch bislang ein Fehlschlag: Wenige Anbieter offerieren es, die Bekanntheit bei Sparern ist gering, die Nachfrage enttäuschend. Eine überarbeitete Version wird derzeit geprüft, eine Umsetzung ist frühestens ab 2027 möglich. Brüssel kann sich keine weitere gescheiterte Initiative leisten, weshalb sorgfältige Planung und eine begleitende Finanzbildungskampagne für die SIAs entscheidend sind. Varianten von SIAs existieren bereits in 13 EU-Staaten. Sie unterscheiden sich jedoch bei investierbaren Vermögenswerten, steuerlichen Vorteilen, Beitragsgrenzen, Mindesthaltedauer und geografischen Beschränkungen. Ein einfaches, europaweites Rahmenwerk, das Haushalten effektives Investieren erleichtert, erfordert die Harmonisierung der steuerlichen Behandlung durch die Mitgliedstaaten – ein Schritt, der einigen Politikern unbequem sein dürfte. Zahlreiche komplexe steuerliche Fragen müssen gelöst werden, um die Akzeptanz der SIAs zu fördern. Laut Kommissionsanalyse dürften SIAs auf aggregierter EU-Ebene nur geringe negative Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen haben. Einzelne Mitgliedstaaten könnten jedoch erhebliche Unterschiede bei den fiskalischen Effekten erleben, abhängig von den konkreten steuerlichen Anreizen.

Angesichts angespannter öffentlicher Finanzen werden einige Regierungen zögern, Steuereinnahmen aus Anlageaktivitäten zu opfern. Langfristig könnten höhere Einkommen jedoch auch zu steigenden Einkommens- und Verbrauchsteuereinnahmen führen. Diskutiert wird zudem, ob Kryptowährungen und komplexe Derivate von SIAs ausgeschlossen werden sollten, da sie ein höheres Risiko bergen. Die Kommission lässt die Tür für Krypto-Assets offen, die als Finanzinstrumente gelten. Kryptowährungen wie Bitcoin könnten jedoch ausgeschlossen werden, da sie als Zahlungsmittel klassifiziert sind – eine Einschränkung, die angesichts der Lobby der Krypto-Branche nicht unumstritten ist. US-Asset-Manager verzeichnen hohe Zuflüsse in Krypto-ETPs und argumentieren, dass deren Einbindung in SIAs neue Investoren anziehen könnte. Bedenken hinsichtlich Zugänglichkeit, Fairness und Vertrauen wurden ebenfalls geäußert. SIAs könnten die Ungleichheit verschärfen, da wohlhabendere Bürger stärker partizipieren. Die Attraktivität für Frauen und Haushalte mit geringen Einkommen zu erhöhen, sollte für politische Entscheidungsträger in allen Mitgliedstaaten Priorität haben. Vanguard hat weltweit über 50 Millionen Anleger aufgebaut und betont dabei stets Jack Bogles Kernbotschaft: Kostenkontrolle ist entscheidend für langfristigen Anlageerfolg. Diese einfache, aber zentrale Botschaft sollte Kern der Finanzbildungskampagne zu SIAs sein.

Vanguard kündigte diese Woche zudem Gebührensenkungen für sechs in Europa aufgelegte Aktien-ETFs an. Die Entschlossenheit, Kosten weiter zu reduzieren, dürfte dem Unternehmen helfen, noch mehr Privatanleger zu gewinnen, sobald SIAs europaweit eingeführt werden. Die Kostenkontrolle durch verstärkte ETF-Nutzung wird für immer mehr Vermögensverwalter in Europa zur Priorität, wie die aktuelle Analyse von State Street Investment Management zeigt. Die Stärke dieses Wandels hin zu ETFs ist bemerkenswert.

Fast neun von zehn befragten Vermögensverwaltern aus neun Ländern gaben an, ETFs künftig häufiger nutzen zu wollen. Auffällig ist auch das Interesse, eigene ETF-Marken aufzulegen: Bis zu zehn Prozent der europäischen Vermögensverwaltungsfirmen ziehen dies derzeit in Betracht. Das deutet auf einen weiteren Strom neuer Wettbewerber hin, die im europäischen ETF-Ökosystem um Aufmerksamkeit konkurrieren werden – sofern die tatsächliche Verwaltung der ETFs an etablierte Anbieter wie State Street ausgelagert werden kann.

Die Bedeutung von Branding wurde diese Woche deutlich, als JPMorgan entschied, die Marke Nutmeg aufzugeben – im Vorfeld des für nächstes Jahr geplanten Starts einer „Do-it-yourself“-Investmentplattform für Privatkunden im Vereinigten Königreich. Seit der Übernahme des digitalen Vermögensverwalters durch JPMorgan Chase im Jahr 2021 waren die verwalteten Vermögenswerte von Nutmeg von 3,5 auf 8,5 Milliarden Pfund gewachsen, die Plattform schrieb jedoch weiterhin Verluste.

Dies zeigt erneut, welche Herausforderungen selbst ein Riese wie JPMorgan beim Aufbau einer auf Privatanleger ausgerichteten Plattform mit ETFs (Nutmeg) zu bewältigen hat, insbesondere angesichts des geringen Bewusstseins und Verständnisses von ETFs unter britischen Verbrauchern – ein Problem, das die Investment Association in ihrer jüngsten Analyse hervorgehoben hat.

Die Nachfolgemarke für Nutmeg, JP Morgan Personal Investing, verfolgt einen einfachen „Back-to-Basics“-Ansatz. Der Vermögensverwalter hat noch viel Arbeit vor sich, um sicherzustellen, dass das „do what it says on the tin“-Branding bei britischen Kunden tatsächlich besser ankommt.

Noch größere Chancen warten für Wettbewerber wie JPMorgan und Vanguard, wenn sie steuerlich attraktive Spar- und Investmentkonten entwickeln können, die europaweit einsetzbar sind, ohne Produkte für einzelne Länder maßschneidern zu müssen.

In Brüssel und den europäischen Hauptstädten ist mit intensivem Lobbying in diese Richtung zu rechnen. Das Startsignal für dieses Rennen ist damit gerade erst gefallen.

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