Einleitung
Der Creation-Redemption-Prozess ist der zentrale Mechanismus, der ETFs von anderen Anlagevehikeln unterscheidet – und der Schlüssel zu vielen Vorteilen dieser Struktur.
Die Schaffung (Creation) und Rücknahme (Redemption) von ETF-Anteilen finden am Primärmarkt statt. Dort sorgt ein autorisierter Marktteilnehmer – der sogenannte Authorised Participant (AP) – dafür, dass der ETF-Kurs möglichst nah an seinem fairen Wert, dem Nettoinventarwert (NAV), gehandelt wird.
Auf- und Abschläge
Da ETFs wie Aktien an der Börse gehandelt werden, können Angebot und Nachfrage den Preis beeinflussen. Steigt die Nachfrage stark an, kann der Kurs des ETFs über den Wert des zugrunde liegenden Wertpapierkorbs klettern. Bei hoher Verkaufsaktivität kann er entsprechend darunter fallen.
Handelt der ETF über seinem NAV – also mit einem Aufschlag (Prämie) –, kann ein AP einen Arbitragegewinn erzielen. Er kauft den zugrunde liegenden Wertpapierkorb, tauscht ihn beim Emittenten gegen neue ETF-Anteile ein und verkauft diese anschließend an der Börse. Dadurch sinkt der Kurs wieder in Richtung des fairen Wertes.
Umgekehrt funktioniert der Mechanismus bei einem Abschlag: Er kauft die günstigen ETF-Anteile an der Börse und tauscht sie beim Emittenten gegen die Basiswerte zurück.
Durch den Creation-Redemption-Prozess stellen die APs sicher, dass ETFs nahe am Wert ihrer Basiswerte gehandelt werden.
Dieser Mechanismus – und die Rolle der APs – sind der Hauptunterschied zu geschlossenen Fonds. Diese verfügen über keine Teilnehmer, die Anteile kontinuierlich schaffen oder zurücknehmen. Entsprechend können geschlossene Fonds, etwa Investment Trusts, deutliche Auf- oder Abschläge auf ihren Nettoinventarwert aufweisen, je nach Marktstimmung und Nachfrage.
Haben APs jedoch keinen Zugang zum Primärmarkt, verhalten sich ETFs vorübergehend wie geschlossene Fonds. Die Schaffung neuer Anteile ist dann nicht mehr möglich. Ein bekanntes Beispiel ist die Schließung der ägyptischen Börse während des Arabischen Frühlings 2011. Damals war der Market Vectors Egypt ETF (EGPT) die einzige Möglichkeit, in den ägyptischen Markt zu investieren. Die hohe Nachfrage trieb den Kurs deutlich über den NAV – ein Aufschlag, der sich nach Wiedereröffnung der Börse rasch wieder ausglich.
ETFs vs. klassische Investmentfonds
Der Creation-Redemption-Mechanismus unterscheidet ETFs auch von klassischen Investmentfonds. Während bei ETFs in illiquiden Marktphasen hohe Auf- oder Abschläge entstehen können, droht bei klassischen Fonds bei massiven Mittelabflüssen die Aussetzung der Anteilsrücknahme, das sogenannte Gating.
Bekannte Beispiele dafür sind die Schließungen offener Immobilienfonds in Großbritannien oder die Liquiditätsprobleme mancher Anleihefonds in Krisenzeiten.
Insgesamt sorgt der Creation-Redemption-Prozess dafür, dass ETFs in der Regel zum fairen Wert gehandelt werden und nicht dauerhaft mit hohen Auf- und Abschlägen notieren. Auch wenn der Mechanismus nicht perfekt ist, spielt er eine entscheidende Rolle für die Kernvorteile der ETF-Struktur.
Wichtigste Erkenntnisse
Obwohl ETF-Kurse durch Angebot und Nachfrage schwanken können, sorgt der Creation-Redemption-Prozess über autorisierte Marktteilnehmer dafür, dass sie sich in der Regel an ihrem Nettoinventarwert (NAV) orientieren.
In Ausnahmefällen, etwa bei Marktschließungen, können ETFs vorübergehend wie geschlossene Fonds mit deutlichen Auf- oder Abschlägen gehandelt werden.
ETFs vermeiden in der Regel die Aussetzung der Anteilsrücknahme (Gating), wie sie bei klassischen Fonds vorkommen kann. Dadurch bieten sie Anlegern eine höhere Liquidität und einen besseren Marktzugang.

