Der Aufstieg aktiver ETFs, die Integration von Privatvermögen in ETF-Strukturen und regulatorische Neuerungen rund um semitransparente Konstrukte sind deutliche Zeichen dafür, wie weit sich ETFs heute von ihren Ursprüngen fortbewegt haben.
Merkmale wie rein passive Investmentansätze, vollständige Liquidität und volle Transparenz sind keineswegs mehr unumstößlich. Dennoch, davon ist Deborah Fuhr, Managing Partner und Gründerin von ETFGI, überzeugt, steht die Entwicklung der ETF-Hülle nicht für einen Verlust ihrer DNA, sondern für ihre Weiterentwicklung.
"ETFs nutzen heute ihre Effizienz und Zugänglichkeit, um Anlagestrategien und Assetklassen zu demokratisieren, die bis vor Kurzem kaum erreichbar waren“, so Fuhr. Man könne durchaus argumentieren, dass die Hülle sich anpasst, nicht aber ihre Essenz verliert.
Unter den drei genannten Entwicklungen ist der Bereich aktiver ETFs am reifsten. In den vergangenen sieben Jahren haben sie stetig Rückstand bei Neuemissionen und Zuflüssen auf die passiven Fonds aufgeholt. Im Jahr 2023 wurden 29 aktive und 240 passive ETFs an den Markt gebracht. 2024 waren es bereits 60 aktive bei insgesamt 302 Angeboten. Bis zum 30. September 2025 wurden 96 aktive und 250 passive Strategien lanciert.
Grafik 1: Emissionen aktiver vs. passiver ETFs, 2018 bis heute

Quelle: ETFbook
Auch die Kapitalzuflüsse bestätigen den Trend: 2025 erreichten sie bereits 22 Milliarden US-Dollar – und lagen damit schon über den 18 Milliarden von 2024, knapp das Dreifache der gesamten Zuflüsse von 6,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023.
Mit dem Siegeszug aktiver ETFs überdenken europäische Aufsichtsbehörden nun auch die traditionelle Anforderung der täglichen Portfolio-Offenlegung. Der Schritt zur Semitransparenz zielt darauf, auch Vermögensverwalter anzusprechen, die ihre Strategien nicht vollständig offenlegen möchten.
Erst im April hat die CBI grünes Licht für die Auflage von semi-transparenten ETFs gegeben: Damit dürfen Emittenten ihre Portfoliobestände mit dreimonatiger Verzögerung zu veröffentlichen.
Diese Lockerung folgt auf einen ähnlichen Vorstoß der luxemburgischen CSSF im Dezember 2024. Ein erstes Beispiel ist der Fidelity US Fundamental Small-Mid Cap UCITS ETF; Jupiter Asset Management dürfte bald nachziehen.
Die CBI orientierte sich an der luxemburgischen Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF), die in einem aktualisierten Q&A im Dezember 2024 ihre Haltung zu Transparenzanforderungen für ETF-Portfolios gelockert hatte.
Seit Inkrafttreten der CBI-Regeländerung im April wurde bereits ein semi-transparenter ETF aufgelegt – der Fidelity US Fundamental Small-Mid Cap UCITS ETF (FFSM). Jupiter Asset Management plant die Einführung einer eigenen Small-Cap-Strategie in Irland.
Privatvermögen markieren unterdessen die neueste Grenze in der ETF-Entwicklung. Das Interesse daran ist gestiegen, seit im August 2024 Europas erster CLO-ETF debütierte, der Kredite in ETF-Form verpackt.
In den USA untermauert die Partnerschaft von State Street mit Apollo im Bereich Private Credit die wachsende Nachfrage nach der Verpackung von Privatvermögen in ETFs. JP Morgan hat laut einem Bloomberg-Bericht kürzlich eine Strategie bei der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC eingereicht, um Private Credit in eine ETF-Struktur zu integrieren.
Fragt sich, ob diese Entwicklungen auf eine Erosion der traditionellen ETF-Hülle hindeuten.
Beweise für Flexibilität
Fuhr und Henry Jim, ETF-Analyst bei Bloomberg Intelligence, sind sich einig, dass das Wachstum aktiver ETFs, die Zulassung semi-transparenter ETFs und die Verpackung von Privatvermögen in ETFs Belege für die Flexibilität der ETF-Hülle und nicht für eine Erosion ihrer DNA sind.
Fuhr betonte, dass die Entwicklungen zeigen, dass die Hülle „flexibler eingesetzt wird, um die Nachfrage der Anleger zu befriedigen“. „Man kann sagen, dass sich die ETF-Hülle weiterentwickelt, um neue Anlagebedürfnisse zu erfüllen und gleichzeitig viele der Vorteile zu bewahren, die ETFs ursprünglich beliebt gemacht haben“, erklärte er.
Henry Jim, ETF-Analyst bei Bloomberg Intelligence, nannte die Entwicklungen ebenfalls ein Beispiel für die „Agilität“ der Struktur. „ETFs waren von Beginn an nicht zwangsläufig transparent und liquide – das ist lediglich ein Merkmal der Struktur. Transparenz und Liquidität sind wünschenswerte Eigenschaften, aber entscheidender ist, auf praktische und effiziente Weise Zugang zu den unterschiedlichen Strategien zu ermöglichen“, schloss er.
„Evolutionäre Sackgassen“
Eine weiterführende Frage ist, ob diese ETF-Entwicklungen langfristig Bestand haben oder letztlich aussterben. „Viele verschiedene Strategien werden über die ETF-Struktur auf den Markt gebracht – das ist aus meiner Sicht eine natürliche und rationale Handlung von Vermögensverwaltern. Ob alle erfolgreich sein werden, lässt sich nicht sagen“, so Jim.
Jim stellte fest, dass Smart-Beta- und ESG-fokussierte ETFs dafür wichtige Beispiele waren. Ersteres verliert weiterhin Vermögenswerte, da „Index-Plus“-Strategien bei europäischen Anlegern immer beliebter werden.
Er verwies auf Smart-Beta- und ESG-ETFs als Beispiele: „Smart Beta kam und ging, ESG kam und ging. Anleger investierten viel Geld, und dann geriet es plötzlich aus der Mode.“
Spekulierend auf die nächste „evolutionäre Sackgasse“ fügte er hinzu, dass aktive ETFs möglicherweise an der Reihe sein könnten, wenn sie ihre Benchmarks nicht übertreffen und bei Anlegern Enttäuschung hervorrufen.
„Die Zukunft von aktiven ETFs ist ungewiss, weil sie denselben Anforderungen wie Investmentfonds unterliegen: Sie müssen outperformen – und das wird nicht allen gelingen.“
Schlusswort
Das Wesentliche eines ETFs ist seine Zugänglichkeit, nicht Passivität, Transparenz oder Liquidität. Fuhr fügte hinzu, dass die größte Herausforderung – und zugleich Chance – für die ETF-Branche darin besteht, Transparenz und Liquidität auch bei zunehmender Produktkomplexität aufrechtzuerhalten.


